SMX Advanced Seattle 2010: Demystifying Search Data

15. Juni 2010 | Von in SEA

Mein sechstes SMX-Panel war ausnahmsweise nicht im offiziellen Paid Search Track, sondern ein gesponsertes Panel von Efficient Frontier. Der Grund dafür war ganz einfach: Dr. Siddharth Shah, Director of Business Analytics bei Efficient Frontier hatte schon in zwei Panels zuvor faszinierende Einblicke geliefert und sich eine kleine Fangemeinde erarbeitet. Eigenen Angaben zufolge verwaltet Efficient Frontier etwa 900 Millionen Dollar Pay-per-Click-Budget für 80 Millionen Keywords – den Analysen liegt also eine kräftige Datenbasis zugrunde.

Moderiert wurde das Panel von Tom Shin , dem VP of Sales, der Sid Shah vorstellte und ein paar Witze machte (“he works with models all day”). Dann wurde Sid auf den “Hot Seat” gesetzt, sollte also mit Fragen gelöchert werden. Das ganze Drumherum war etwas seltsam, denn natürlich kannte Sid die Fragen und hatte einen Teil der Gags auch schon im Panel davor gebracht. Er wirkte zu Beginn auch etwas weniger locker – ich schätze, da musste er jetzt durch. Es folgte eine Reihe von Fragen, welche jeweils mit fundierten Analysen und Modellen beantwortet wurden.

Über Portfolio-Theorie hatte Sid schon im Panel davor gesprochen. Hier ging es vor allem darum, ein begrenztes Budget mit festem durchschnittlichen CPA-Ziel zu verwalten. Beispiel: Eine Conversion soll im Durchschnitt nicht mehr als zwei Dollar kosten. Jetzt kann man entweder alle Keywords einzeln auf dieses Ziel hin ausrichten, oder man baut sein Portfolio so auf, dass das Ziel eben nur im Durchschnitt erreicht wird. Angenommen, es gibt pro Keyword acht mögliche Gebote und eine Kampagne hat zwei Keywords, dann gibt es bereits 8² = 256 mögliche Kombinationen. Bei drei Keywords sind es schon 8³ = 2048, bei hunderten oder tausenden von Keywords wird die Zahl entsprechend groß. Es ergeben sich also riesige Mengen von Kombinationen, von denen einige die anderen klar dominieren und somit die Effizienzlinie bilden – den Efficient Frontier. Wer sich für das Thema näher interessiert, dem empfehle ich das passende Whitepaper.

Ganz kurz behandelt wurde die Frage, welches die wichtigste Einflussgröße für den Qualitätsfaktor ist. Dass das die Klickrate ist, war natürlich längst bekannt. Sid hatte aber noch ein paar Daten im Gepäck, die den Zusammenhang noch mal statistisch untermauerten (R² = 0,9053).

Wie geht man mit Long-Tail-Keywords um, wie sagt man deren Performance vorher? Hierzu gab es wenig Konkretes. In einen Modellierungs-Algortihmus fließen allerlei historische Daten ein. Außerdem wird ein Lernbudget reserviert, welches nach bestimmten Kriterien auf Keywords verteilt wird, um dafür weitere Daten zu sammeln. Etwas ausführlicher werden die Prinzipien (aber nicht die Details) in Sids neuesten Whitepaper The Tail Behind the Tail beschrieben, welches er auf der SMX verteilt hat.

Lohnen sich Anzeigen für die eigene Marke? Schließlich steht die eigene Website in den organischen Suchergebnissen sowieso schon an erste Stelle. Kurze Antwort: Ja. Sid hatte dazu einen Test gemacht. Demnach bleibt die Zahl der Klicks insgesamt gleich, egal ob mit oder ohne Anzeigen. Allerdings ist die Conversion-Rate bei gleichzeitiger Anzeigenschaltung deutlich höher.

Dazu wurden noch Forschungsergebnisse Sha Yang und Anindya Ghose (Stern School of Business, New York University) vorgestellt. Diese haben festgestellt, dass die erwarteten Profite bei der Kombination von Anzeigen und organischen Listings um 4,2 % bis 6,15 % höher liegen. Die größten Interdependenzen von organischen und bezahlten Listings sollen dabei für die eigene Marke ausgemacht worden sein; bei Produkt- oder generischen Suchbegriffen sei der Effekt schwächer. Im Paper selbst steht allerdings, dass der Effekt mit zunehmender Konkurrenz abnahm, was nur ungefähr das gleiche bedeutet. Hier gibt’s das Paper: Analyzing the Relationship Between Organic and Sponsored Search Advertising

Bereits in einem vorherigen Panel (Targeting The Search Funnel) hatte Sid die Bedeutung von Assists behandelt, wobei hier noch mal eine etwas speziellere Frage gestellt wurde: Führen generische Keywords zu Conversions bei Brand-Keywords? Hierzu wurde Sid noch mal erfrischend deutlich und stellte zunächst die herrschende Lehre vor. Demnach wird oft mit einem allgemeinen Suchbegriff angefangen, um dann, nach einiger Recherche, Schritt für Schritt zu immer spezielleren Suchbegriffen zu kommen, die am Ende konvertieren. Beispiel: “dvd player”, “sony dvd player”, “sony dvp sr100”, Kauf im Onlineshop. Die Daten unterstützten diese These laut Sid allerdings nicht. Er hatte 30.000+ Transaktionen untersucht und dabei festgestellt, dass nur 9 % überhaupt ein Assist vorausgegangen war. Nur 0,9 % begannen mit einem Suchbegriff ohne Marke und endeten in einem Suchbegriff mit Marke. Fazit: Assists sind gar nicht so wichtig und die herrschende Lehre liegt daneben. Interessante Nebenbemerkung von Sid: “Assisters” sind von der Tendenz eher Plural, “Transactors” eher Singular.

Dann ging es darum, welche Suchmaschine den besten ROI bietet. Da lag, Sid zufolge, Bing ganz klar vorn. Dabei hatte Bing im ersten Quartal 2009 noch gut den doppelten ROI verglichen mit Google, zuletzt lag Bing noch bei leicht über 120 %. Yahoo war jeweils weit hinter Google. Mit Schlussfolgerungen wäre ich persönlich aber vorsichtig.

Vorgestellt wurde auch noch ein kleines Sitelinks-Experiment. Für einen Blumenversender wurden Sitelinks geschaltet, die vor dem Valentinstag vier mal schneller konvertierten. Nach dem Valentinstag gab es diesen Unterschied nicht mehr.

Lohnt sich Dayparting, also das Setzen spezieller Gebote für bestimmte Tageszeiten? Kurze Antwort: Nein. Das Potenzial ist extrem gering, selbst wenn man die richtige Balance finden könnte. Die lange Antwort hat er in einem Artikel bei Search Engine Land gegeben.

Damit kam Sid vom “Hot Seat” und Tom sagte noch ein paar Worte zum Thema Display Advertising. Abschließend kam noch das Fazit, skeptisch gegenüber der herrschenden Lehrmeinung zu sein und immer eigene Schlüsse aus den eigenen Daten zu ziehen.

Fazit: Interessantes Panel mit einzigartigen Einblicken. Dabei lag der Fokus mehr auf Erkenntnissen, nicht auf Ideen, die man mal eben schnell ausprobieren kann. Insgesamt war es dank Sid Shah eher wissenschaftlich und mathematisch angehaucht – Aspekte, die im Performance-Marketing eigentlich stärker vertreten sein müssten.

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Martin Röttgerding

Martin Röttgerding ist Head of SEA in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion und schreibt schwerpunktmäßig über Google Ads im Bloofusion-Blog und hin und wieder in seinem SEA-Profi-Blog PPC Epiphany.

Martin Röttgerding ist auf LinkedIn zu finden.

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