Google stellt AdWords-Neuheiten vor

23. April 2014 | Von in SEA

New-AdWords-InnovationsGestern war es soweit: Google hat die mit Spannung erwarteten Neuerungen an AdWords vorgestellt. Anders als erwartet sind dramatische Änderungen dabei ausgeblieben – weder wird AdWords umgekrempelt noch sollen Dinge wegfallen. Stattdessen wurden einige sehr interessante und teilweise tolle Dinge angekündigt.

Step Inside AdWords

Bereits im Vorfeld hatte Google Werbetreibende aufhorchen lassen und größere Ankündigungen für den 22. April in Aussicht gestellt. Dazu hatte Google gestern eine Veranstaltung im kalifornischen Half Moon Bay, die per Livestream angeblich fast 20.000 Zuschauer verfolgten. Dort hielt vor allem Jerry Dischler, VP of Product Management for AdWords, eine aufwändig ausgearbeitete Präsentation, um die neuen AdWords-Produkte vorzustellen und anzupreisen. Die Aufzeichnung des Livestreams gibt es hier:

Google hat die Neuerungen außerdem im Inside-AdWords-Blog zusammengefasst. Von uns gibt es hier jetzt die etwas nüchternere Version, bei der ich mich grob an der Struktur der Präsentation orientiere. Alle Bilder stammen daraus.

Vorgeplänkel

Es geht nicht um das Gerät, sondern um den Nutzer, die Leute, die Menschen – das war das Mantra, das Jerry Dischler immer wieder betonte. Der Rest der Präsentation passte aber eigentlich überhaupt nicht dazu.

Die Präsentation begann mit einem Abriss der Entwicklung von Radiowerbung, bei der zu Beginn einfach Zeitungsanzeigen vorgelesen wurden. Nach und nach verbreitete sich das Radio und stand nicht mehr nur im Wohnzimmer, während Werbetreibende lernten, damit immer besser umzugehen. Inzwischen ist das Radio stark verbreitet, läuft im Auto und im Internet und Werbung wird viel stärker auf Konsumenten ausgerichtet.

Bei Mobilgeräten sieht Google ebenfalls viel Entwicklungspotenzial, allerdings auch eine sehr hohe Komplexität. Mit beeindruckenden Zahlen zur Nutzung von Google Maps oder YouTube wurde angedeutet, dass Google den Schlüssel in der Hand hat, um diese Komplexität zu bewältigen. Darum ging es dann im ersten Block, der mit Innovative ad formats überschrieben war und sich komplett um Apps drehte.

Three-Pillars

Apps-Innovative-Ad-FormatsApps, Apps, Apps

Google möchte Werbetreibenden in Zukunft ermöglichen, Apps besser zu vermarkten. Das betrifft zunächst mal die Installation – angeblich werden 60% der Apps niemals installiert. Um Apps zu bewerben will Google daher neue Möglichkeiten schaffen.

Um Apps über die Google-Suche zu bewerben, will Google auf Suchanfragen aus Google Play zurückgreifen. Werbetreibende sollen dann entsprechende Vorschläge für Keywords bekommen – in meinen Augen recht unspektakulär.

HotelApp

Interessanter ist da schon, was Google im Display-Netzwerk plant. Dort soll berücksichtigt werden, was individuelle Nutzer in der Vergangenheit an Apps installiert haben. Als Beispiel wurde eine Kalorienzähler-App genannt, die bei Nutzern beworben werden soll, die bereits andere Gesundheits- und Fitness-Apps installiert haben.

Wie das im Detail funktioniert, darauf wurde noch nicht eingegangen. So ist unklar, ob das nun eine einstellbare Ausrichtungsoption für Werbetreibende darstellt, oder ob alles im Hintergrund abläuft und z. B. nur für Echtzeitgebote herangezogen wird. Offen blieb auch, inwiefern der Mechanismus auf Kategorien (Gesundheits- und Fitness-Apps) oder konkreten Apps basiert.

Aus Datenschutzperspektive ist die Nutzung von Daten aus Google Play bzw. von Android-Systemen sicher nicht ganz trivial. Denkbar wäre auch, dass Google den Austausch solcher Daten beispielsweise mit Apple aushandelt, um das Ganze auch auf Nicht-Android-Geräten anbieten zu können.

Für YouTube möchte Google ebenfalls neue Möglichkeiten zur Bewerbung von Apps anbieten. Hier klang es allerdings so als würde es lediglich darum gehen, dort nun ebenfalls direkte Hinweise und Downloadmöglichkeiten für Apps zu schaffen.

Neben der Bekanntmachung und Verbreitung von Apps möchte Google aber noch mehr ermöglichen. Hier kam zunächst die Behauptung, dass 80% der heruntergeladenen Apps nur einmal benutzt werden. Das könnte man nun als Hinweis darauf sehen, dass das Bewerben von Apps eher unsinnig ist, aber das schien nicht das zu sein, worauf Jerry Dischler hinaus wollte.

Apps-Cycle

Um Nutzer dazu zu bringen, eine App wiederholt zu nutzen, sollen Werbetreibende direkt dort hinein verlinken. Als Beispiel wurde die Suche nach einem Hotel in San Francisco genannt, wobei der Nutzer die App eines Anbieters bereits installiert hat. Die Anzeige soll dann direkt auf die passende Seite in der App verweisen. Unklar ist dabei, ob solche Anzeigen konkret auf Nutzer ausgerichtet werden können, die die App bereits installiert haben, oder ob ggf. einfach auf den Download verwiesen wird.

Apps-Measure-across-lifecycleWeil Downloads und Nutzung nichts seien ohne “rock-solid measurement”, wurde gleich noch ein erweitertes Conversion-Tracking angekündigt. Damit sollen sich Conversions von der Installation über zur erneute Nutzung bis hin zu In-App-Käufen erfassen lassen. Hier stellt sich mir allerdings die Frage, inwiefern Conversion-Tracking allein ein vollständiges Bild der Nutzung ergeben soll – unter “rock-solid measurement” würde ich mir schon etwas mehr vorstellen.

Conversion-Reporting

Im zweiten, eher kurzen Block ging es um geschätzte Conversions. Zunächst ging es einfach um das, was mit geräteübergreifenden Conversions bereits möglich ist.

Cross-Device-Conversions

Estimated-ConversionsHier kam wieder eine kleine Statistik: Dank der Schätzungen könnten US-Werbetreibende 7% mehr Conversions messen – übersetzt heißt das wohl, dass Googles Schätzung bei 7% liegt. Für Aktivitäten, die auf Mobilgeräten, begannen sollen es sogar 32% mehr Conversions sein. Anschließend kamen noch eine kurze Fallstudie, bei der die Zahlen etwa doppelt so hoch lagen.

Im Folgenden ging es aber dann um mehr, nämlich die Inklusion von Offline-Conversions. Hier wurde kurz ein Ergebnis vorgestellt, bei dem ein Werbetreibender 102% zusätzlichen Offline-Umsatz mit AdWords erzielt haben soll. Details, wie das gemessen wurde, gab es aber keine.

Estimated-Conversions-offline

Tools

intelligent-toolsDer letzte, größte und aus meiner Sicht interessanteste Block war mit Intelligent tools überschrieben. Zu Beginn ging es um Bulk-Edits, als größere Änderungen an vielen Elementen, die sich in Zukunft leichter direkt in AdWords vornehmen lassen sollen. Einige Sachen klangen trivial, etwa, dass man Einstellungen wie Ausrichtung oder Anzeigenrotation für mehrere Kampagnen gleichzeitig vornehmen können soll.

bulk-changes

Dass man dagegen in der Lage sein soll, tausende von (sinnvollen) Kampagnen mit wenigen Klicks zu erstellen, scheint mir eher Wunschdenken. Auch wenn einige Kollegen auf Twitter das schon als Hinweis auf die Abschaffung des AdWords Editors sehen glaube ich nicht, dass die AdWords-Oberfläche in absehbarer Zeit eine vollwertige Alternative dazu werden wird.

Automated-BiddingAutomatisierte Gebote

Googles Ziel sei es, eine “enterprise-class solution” für jeden Werbetreibenden direkt in AdWords anzubieten, sagte Dischler zum Thema automatisiertes Bieten. Dazu wurden zunächst erst mal wieder die bestehenden Tools angepriesen, die über Echtzeitgebote funktionieren.

Neu sind nun zwei zusätzliche Ziele, die sich mit Echtzeitgeboten ansteuern lassen sollen: Conversionmaximierung und Umsatzmaximierung.

Automated-Bidding2

Was diese Strategien bewirken sollen, ist wohl schnell erklärt: Basierend auf einem gesetzten Budget sollen die Gebote so ausgesteuert werden, dass die maximale Zahl an Conversions bzw. der maximale Umsatz damit erzielt wird. Es dürfte klar sein, dass derartige Ansätze nur dann sinnvoll sind, wenn das Budget begrenzt ist, da andererseits irrsinnige hohe Gebote die Folge sein dürften.

Beide Strategien sind gängige Ziele für Werbetreibende und werden von den meisten Bid-Management-Tools längst abgedeckt. Hier legte Dischler aber noch einmal nach:

We want to deliver state of the art bidding, once only available in third party tools, for all advertisers in AdWords, and we’re investing heavily to count everything that you care about, and then optimize on it.

Das kann man durchaus als Kampfansage verstehen. Gut möglich, dass sich Google daran stört, dass Drittanbieter einen Teil der AdWords-Budgets von Werbetreibenden abziehen, so dass weniger für Google übrig bleibt. Inwiefern das für Google funktioniert, bleibt allerdings abzuwarten, da viele Lösungen bisher weiteren Zusatznutzen durch zusätzliche Strategien und andere Tools bieten. Auch herrscht allgemeines Misstrauen, wenn es darum geht, Google das Geldausgeben bei Google zu überlassen.

Überhaupt wird Google erst mal zeigen müssen, dass die Strategien auch funktionieren. Während das Conversion-Optimierungstool meistens überzeugen kann, ist das zuletzt eingeführte ROAS-Bidding bisher eher ein Reinfall – entsprechend vorsichtig werden wir an die neuen Strategien herangehen.

Multidimensionale Analysen

Enhanced-ReportingDie vermutlich spektakulärste Neuerung stellte Paul Fang vor. Er zeigte im Schnelldurchlauf, wie lange es dauert, Reports herunterzuladen und in Excel mit Pivot-Tabellen anzupassen. Abhilfe soll es künftig ein Tool schaffen, mit dem man mehrdimensionale Berichte direkt in AdWords erstellen kann.

Zu Beginn ist das Tool einfach nur ein leerer Bereich, an dessen Rand man Metriken und Dimensionen sieht:

P-Drop-here-to-create-a-table

Nun lassen sich Elemente ganz einfach hereinziehen:

P-Add-Metric

So baut man sich im einfachsten Fall ganz schnell eine Tabelle zusammen:

P-Device-1

Soweit ist das erst mal sehr praktisch, denn durch die einfache Bedienung direkt in AdWords lassen sich Reports verändern, ohne dass man von vorne anfangen muss – was in Excel schon mal vorkommt, wenn beispielsweise Spalten braucht, die nicht heruntergeladen wurden. Nett auch das Beispiel, wo die Dimension Device einfach über die Metriken geschoben wurde, um den gleichen Sachverhalt wie im letzten Screenshot so darzustellen:

P-Device-2

Noch mehr Spaß macht die Sache mit Grafiken, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren – einfach Elemente rein- und rausziehen. So wird aus dem Kuchendiagramm zu den Klicks …

P-Pie-1

… das folgende Diagramm mit Klicks nach Gerät:

P-Pie-2

Wählt man als Ansicht stattdessen ein Liniendiagramm, käme folgendes dabei heraus:

P-Line-1

Conversions dazu:

P-Line-2

Und weil es doch etwas wild ist, lieber ein Balkendiagramm:

P-Bar-1

Insgesamt sieht das Tool sehr hilfreich aus und könnte uns viel Arbeit abnehmen. In Googles Präsentation sahen die Beispiele freilich sehr geschmeidig und schnell aus. Angesichts dessen, was wir tagtäglich in der AdWords-Oberfläche sehen, erwarte ich allerdings, dass es ohne Ladezeiten nicht gehen wird.

Auch frage ich mich, wie sich die Sache mit den Reports verträgt, die man sonst aus AdWords bekommt. Mit dem Tool erweckt Google den Eindruck, man könne sich alles Mögliche an Dimensionen und Metriken zusammenstellen. Über die Oberfläche und auch die AdWords API gibt es aber viele Einschränkungen, was man zusammen betrachten und auswerten kann. So ist es beispielsweise nirgends vorgesehen, Daten für Keywords und Standorte gleichzeitig einzusehen.

Drafts-and-ExperimentsEntwürfe und Experimente

Die letzte Neuheit drehte sich um das Arbeiten mit Kampagnenentwürfen. So soll es möglich werden, Kampagnenentwürfe anzulegen und zu speichern, ohne dass Änderungen gleich aktiv werden. Dazu wechselt man in einen Entwurfsmodus, der dann so aussieht:

D-Draft-Mode

Ist man mit einem Entwurf zufrieden, dann kann man ihn irgendwann aktiv schalten. Man kann aber auch ein Experiment damit durchführen:

D-Trial-Results

Bei einem Experiment weist man der alten Kampagne und dem neuen Entwurf einen Anteil am Traffic zu. So lassen sich anschließend Daten sammeln, um eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob der Entwurf so übernommen werden soll.

Fazit: Nicht schlecht!

Google hat eine Fülle von Neuerungen angekündigt, die bestenfalls lose zusammenhängen. Einen roten Faden gab es bei der Veranstaltung eigentlich nicht, dafür viele interessante Einzelteile und dazu viel Selbstbeweihräucherung. Der ganz große Wurf ist ausgeblieben, aber insgesamt können wir uns auf einige nette Dinge freuen.

Die vielen Neuerungen rund um Apps dürften wohl nur für wenige Werbetreibende interessant sein, ebenso wie die Erfassung von Offline-Conversions. Die neuen Gebotsstrategien sind da schon interessanter, die Conversionmaximierung längst überfällig.

Das neue Auswertungstool bietet in erster Linie viel Potenzial, Zeit zu sparen. Ich vermute, dass es in der Praxis etwas komplizierter und weniger mächtig sein wird als es derzeit den Anschein hat, aber es dürfte anspruchsvolleren Account-Managern, die sonst zur Pivot-Tabelle greifen, viel Arbeit abnehmen.

Was Kampagnenentwürfe und -experimente angeht, sehe ich einige interessante Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere im Zusammenspiel mehrerer Akteure, die zusammen an Kampagnen arbeiten. Ich vermute aber, dass dieses Feature auch nicht viel öfters genutzt werden wird als die alten Kampagnenexperimente.

Offen bleibt, wann wir die Neuerungen auch tatsächlich nutzen können. Jerry Dischler deutete an, dass es einige Monate dauern könnte.

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Martin Röttgerding

Martin Röttgerding ist Head of SEA in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion und schreibt schwerpunktmäßig über Google Ads im Bloofusion-Blog und hin und wieder in seinem SEA-Profi-Blog PPC Epiphany.

Martin Röttgerding ist auf LinkedIn zu finden.

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