ChatGPT & Co: Was war, was ist – und wie geht’s weiter? [Search Camp 282]
ChatGPT hat uns die letzten sechs Monate in Atem gehalten. Aber wie geht’s weiter mit GPT? Welche Tricks gibt es beim Prompt Engineering? Was passiert in rechtlicher und legislativer Sicht? Und wie sind Bing Chat und Google SGE zu bewerten? Reden wir drüber – mit Kai Spriestersbach, der das Buch „Richtig texten mit KI“ geschrieben hat.
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ChatGPT & Co: Was war, was ist – und wie geht’s weiter?
Markus Hövener: Moin und herzlich willkommen zu Search Camp, dem Online Marketing Podcast mit wichtigen Insights rund um SEO, SEA und co. Mein Name ist Markus Hövener und jetzt geht’s auch direkt los. Viel Spaß! Ja, moin, herzlich willkommen wieder zu Search Camp. Eine der letzten Episoden vor der Sommerpause, und wir wollen über ChatGPT oder insgesamt über GPT sprechen, insgesamt über AI-Content. Und mit wem könnte man das besser als mit dem Kai Spriestersbach? Hallo Kai, grüß dich!
Kai Spriestersbach: Hallo Markus, grüß dich!
Markus Hövener: Genau. Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt – und das haben ja, denke ich, viele im letzten halben Jahr sehr gut gemacht – kommt man gerade nicht an dir vorbei, weil du hast das nach meinem Stand einzige Fachbuch dazu geschrieben, nämlich “Richtig texten mit KI”. Also super Timing. Und –
Kai Spriestersbach: Ich muss dich kurz korrigieren. Es ist tatsächlich gar kein Fachbuch, es ist ein Sachbuch. Also es ist auch in einem Sachbuchverlag erschienen und hat den Anspruch, für Jedermann und Jederfrau sozusagen verständlich zu sein. Deshalb konnte ich in gewissen Dingen auch nicht tiefer gehen. Ja, mal gucken, was sich da noch tut. Die Fachbuchverlage sind natürlich jetzt auch langsam auf dem Thema.
Markus Hövener: Genau, aber, zumindest so, was, glaube ich, Buch angeht, warst du jetzt definitiv der erste. Und ich habe auch nochmal insgesamt zurückgeguckt. Dieses Thema ist GPT ja so, ich sage mal, kurz vor Weihnachten hat es ja richtig gut abgehoben. Wir beide waren aber schon viel früher dran, nämlich September 2021 haben wir schon eine Podcast Episode dazu gemacht. Also, wer sich noch mal reinhören möchte, Search Camp Nummer 194 war’s, mit dem Titel “Maschinelle Texterstellung mittels KI – taugt das was?” Da war das Stichwort GPT noch gar nicht drin. Aber ja, vielleicht trotzdem kurz, weil Buch interessiert mich immer, wie war so die Idee für dich, dazu ein Buch zu schreiben? Wie war der Prozess da?
Kai Spriestersbach: Es war eigentlich relativ einfach. Also, der Verlag ist auf mich zugekommen. Die haben das Thema als für sich anscheinend interessant identifiziert und sind auf die Suche gegangen nach Leuten, die sich da gut auskennen. Ich bin da wohl herausgestochen aus der Masse irgendwie. Da hat man mich angefragt. Und nachdem ich ohnehin gerade an meiner Masterarbeit geschrieben habe, habe ich gedacht, komm, ich bin grad so schön im Schreibfluss, hänge ich das Buch an. Und ich wollte schon immer mal ein Buch schreiben. Das war die Gelegenheit, der Zeitpunkt war der richtige. Das Thema hat mich brennend interessiert und beschäftigt mich ja auch schon seit Jahren. Und von daher habe ich gesagt, komm, ich mach das jetzt einfach.
Markus Hövener: Das war ja echt ein verrücktes halbes Jahr. Ich weiß nicht genau, wann das war. Aber so Anfang Dezember, als ChatGPT dann rauskam, und auf LinkedIn gab es ja tagelang wirklich nichts anderes mehr, als dass jeder das Ding einfach vollkommen ausprobiert hat. Jetzt zurückblickend, was – hast du das alles vorausgesehen? Wie war jetzt so das letzte halbe Jahr für dich? Weil du warst ja in dem Thema schon vorher drin.
Kai Spriestersbach: Ja, es war echt ein bisschen verrückt. Ich glaube, damit hat keiner so richtig gerechnet, also laut den Interviews ja auch die bei OpenAI gar nicht. Also, wie du schon gesagt hast, wir haben irgendwie ’21 darüber schon gesprochen. Ich nutze gefühlt jetzt schon seit einer Ewigkeit textgenerierende KI, die ja bislang immer auf GPT-3, diesem alten Sprachmodell basiert haben. Das hat sich aber halt nicht so richtig durchgesetzt, weil da war es wahrscheinlich vielleicht zu kompliziert oder zu schwierig, da sinnvolle Ergebnisse rauszukriegen. Und mit dem Release von ChatGPT hat sich das halt schlagartig geändert. Jeder und jede konnte sich da kostenlos anmelden, mit dem Ding reden wie in einem Chat. Das ist ein Interface, das kannte jeder. Und ich glaube auch, dieser niederschwellige Zugang, um zum ersten Mal mit einer KI sprechen zu können – in Anführungszeichen – der hat dann auch dafür gesorgt, dass es sich so rasant verbreitet hat. Und – also, ich habe Unterhaltungen mitbekommen, vom Friseur – beim Friseur quasi nebenan bis hin zu Leuten, die in der Metzgerei beim Warten sich drüber unterhalten haben. Das war schon echt abgefahren. Also, ich war selber sehr überrascht, auch ja, wie breit es im Mainstream dann doch angekommen ist, jetzt in der Zeit, das hat mich persönlich überrascht.
Markus Hövener: Also ich denke auch immer, A, wenn es in der Tagesschau ist, B, wenn meine Frau darüber spricht, die Lehrerin ist, und die hatten nämlich, ich glaube, vorletzte Woche hatten sie den ersten Fall, dass jemand auch mit ChatGPT eine Hausarbeit erzeugt hatte. Er war jetzt aber nicht –
Kai Spriestersbach: Ah, das ist ein sehr schwieriges Thema!
Markus Hövener: – er war leider nicht sehr schlau gewesen. Er hatte nämlich – den Prompt hatte er mit reinkopiert und –
Kai Spriestersbach: Oh nein! Das ist ja ein Anfängerfehler!
Markus Hövener: Das war ein Anfängerfehler, deswegen passte das natürlich schon. Aber ja, also gerade unter Lehrern ist das natürlich ein Riesenthema, aber natürlich unter den –
Kai Spriestersbach: Ja, als Lehrbeauftragter bekomme ich es ja auch an der Hochschule mit. Also, das ist gerade ein ganz, ganz heißes Thema.
Markus Hövener: Ja, ich weiß auch noch nicht, wie man damit umgehen soll. Ich habe letztens auch ein paar Diskussionen dazu erlebt. Ich meine, das Kind ist jetzt quasi in der Welt, und jetzt kann man wieder versuchen, alles dagegen zu unternehmen. Aber irgendwie will man auch, dass Schüler in der Lage sind, selber sich auszudrücken. Also einfach nur so, “Ich habe den Prompt geschrieben, und das war jetzt meine Leistung”, das reicht natürlich auch für so einen Schüler vielleicht nicht mehr so vollständig aus. Ja, gucken wir mal!
Kai Spriestersbach: Nein, ich denke, wir müssen das wirklich auch annehmen, sag ich jetzt mal, weil, wie du sagst, es ist in der Welt, es wird auch – die Büchse der Pandora ist offen. Und du wirst es auch nicht verhindern können. Also dann lieber die Prüfungsform ändern und auch sagen, ja, von mir aus, benutzt diese Modelle, aber dann sagt mir bitte, welche ihr benutzt habt, welche Prompts, und reflektiert das, weil die KI ist ja auch nicht perfekt. Also, da bieten sich zahlreiche Chancen, und ich denke, solange wir es hinkriegen, dass die Aufgabenstellung doch noch ein eigenes – ja, eine eigene Leistung irgendwie erfordert, kriegt man das auch noch hin.
Markus Hövener: Nicht perfekt ist natürlich –
Kai Spriestersbach: Die Prüfungsform ändert sich natürlich.
Markus Hövener: Nicht perfekt ist natürlich ein super Stichwort. Ich glaube, das haben wir auch alle erlebt, die wir damit rumgespielt haben. Und auch da wurden natürlich verschiedenste Ergebnisse von ChatGPT auch schon veröffentlicht. Das Problem, dass das Tool einfach Halluzinationen hat. Und ja, ich kann einfach irgendwas fragen, und gerade auch, weil natürlich der Content auch ein gewisses Datum hat, und – aber grundsätzlich erst mal, mit ChatGPT-4 haben die ja abgenommen, die Halluzinationen, sind aber immer noch da. Zweigeteilte Frage für dich: wo kommen die eigentlich her? Und kann man erwarten, dass es zeitnah mal eine Version gibt, also ChatGPT-5 oder -6, der man das dann komplett abgewöhnt hat?
Kai Spriestersbach: Also die die Antwort auf die zweite Frage steckt im Prinzip in der ersten Antwort. Also das funktioniert eben so, dass diese Modelle lernen, das nächste Wort vorherzusagen. Beziehungsweise, wenn man genau ist, den nächsten Wortbestandteil. Das sind die sogenannten Tokens, also man zerteilt Wörter in Tokens und füttert ganz, ganz, ganz, ganz viele davon in die KI, und die merkt sich quasi, welches Token auf welches Token häufig folgt. Und wenn man dann eben irgendwas generieren will oder irgendeine Antwort, sei es was auch immer, dann guckt das Modell quasi nur nach auf den Input, den ich als Mensch geschrieben habe, was sind denn in der Wahrscheinlichkeit die wahrscheinlichsten nächsten Token und der nächste Token und der nächste und der nächste Token. Und so entstehen quasi Wort für Wort die generierte Antwort. Und da es halt um Wahrscheinlichkeiten geht, kann die wahrscheinlichste Antwort auch manchmal die falsche Antwort sein, weil halt nichts in diesem System irgendwie sicherstellt, dass es richtig ist oder irgendwo strukturierte Informationen abgelegt werden. Also dieses Modell selbst hat auch keinen Zugriff mehr, auch auf die Rohtrainingsdaten sozusagen. Es kann nicht mehr nachgucken, wie war jetzt genau der Satz, den ich damals gelesen habe, sondern es hat sich eben nur ungefähr gemerkt, Aha, nach “manche” kommt halt das Wort und so weiter. Das ist natürlich sehr viel komplexer, aber solange wir von diesem Funktionsprinzip nicht weggehen – und es im Moment in der KI-Entwicklung nicht danach aus, dass dieser Trend sozusagen weggeht, weil es einfach für – es hat halt sauviele Vorteile, das so zu machen mit diesen Wahrscheinlichkeiten. Aber eben auch die Nachteile, wie gesagt, dass dadurch falsche Informationen entstehen können. Also von daher, man arbeitet jetzt daran, dass – durch sogenanntes Alignment oder Fine Tuning die Wahrscheinlichkeiten immer mehr zu senken, dass da Quatsch rauskommt. Das funktioniert auch echt erstaunlich gut. Also allein GPT-4, während ich das Buch geschrieben habe, ich habe immer wieder meine Prompts quasi wieder durch die Maschine gejagt, damit ich zur Drucklegung des Buches natürlich ganz aktuelle Ausgaben drin habe und nicht Ausgaben von vor zwei Monaten, und da habe ich live miterleben können, wie sich die Ausgaben verbessert haben. Und wenn man heute einfach mal ChatGPT aufmacht, mit GPT-4 kann man sogar nach wissenschaftlichen Quellen für irgendwelche Hausarbeiten nachfragen. Und die sind – die existieren mittlerweile, die sind zum Teil wirklich gut. Ich bin teilweise erschrocken, als ich das gesehen habe, aber die sind halt nicht immer vollständig korrekt. Also diese Schwäche bleibt. Und gerade jetzt, die halbe Stunde, bevor wir jetzt unser Gespräch aufzeichnen, habe ich gerade den letzten Update und das letzte Newsletterpaket fertig gemacht. Ich habe ja für alle Buchkäufer auf meiner Webseite auch so eine Art rollierende Neuerung. Und da habe ich genau sechs Punkte auch zusammengestellt, wie man das in der Praxis verhindern kann, dass man beispielsweise die Fakten, die das Modell in den Texten verwenden soll, nicht erzeugen lässt, sondern sie mitliefert. Also quasi, ich sage als Mensch, guck mal, ich will keine Ahnung, dass du die fünf Stichpunkte eben ausformulierst, und das Modell soll halt nur das sprachliche machen. Dafür ist das Modell nämlich gedacht. Es war nie dafür konzipiert, eine Informationsmaschine oder eine Wissensmaschine zu sein. Das ist ein Sprachmodell und kein Wissensmodell.
Markus Hövener: Jetzt war ja der starke Fokus der Öffentlichkeit sicherlich auf ChatGPT und wahrscheinlich auch zurecht. Aber es gibt ja auch Tools wie Jasper, Neuroflash und Co. Ist das alles gleich gut, schlecht, oder wie muss man sich das vorstellen für jemanden, der das noch nie gesehen hat?
Kai Spriestersbach: Ja, also, es kommt ein bisschen drauf an. Im Kern basieren die allerallermeisten dieser Tools auf derselben Technologie. Die Setzen in der Regel auch die APIs von OpenAI ein, also ob das ein Jasper, Neuroflash und alle diese Tools, die nutzen in der Regel alle mittlerweile GPT-4 per API. Dementsprechend sind die Ergebnisse quasi qualitativ nicht großartig unterschiedlich. Sie machen halt ein bisschen schönere Workflows, teilweise andere Oberflächen und das Prompting sozusagen, also die genaue Formulierung an die KI, was sie denn jetzt tun soll, da steckt so ein bisschen halt, ja, das Differenzierungspotenzial drin, was das eine Tool halt besser macht oder das andere. Andere Tools haben halt die Möglichkeit, irgendwie das Internet noch zu durchsuchen und die Informationen wieder mit reinzunehmen. Aber es kommen jetzt auch nach und nach immer mehr tatsächlich alternative Modelle auch auf den Markt. Also beispielsweise Aleph Alpha aus Deutschland, aus Heidelberg hat ein sehr gutes Modell. Auch von – Tropic AI, glaube ich, heißen die, das Modell Claude ist super interessant. Also, ich denke mal, dass da jetzt viel mehr Vielfalt noch reinkommt. Auch Opensource-Modelle werden jetzt nach und nach auch im produktiven Einsatz sinnvoll, auch lizensierbar, endlich. Von daher gehe ich schon davon aus, dass sich da ein bisschen – ja, ein bisschen mehr noch tut die nächsten Wochen.
Markus Hövener: In deinem Buch geht es ja auch sehr viel um das Thema Prompt Engineering. Also das alte Prinzip ist, shit in, shit out, du stellst eine blöde Frage, das Ding wird dir blöden Content produzieren. Und je präziser du bist, desto besser ist das Ergebnis. Jetzt sehe ich eigentlich jeden Tag, auf LinkedIn werde ich totgeprügelt, hier die 300 besten Prompts und hier noch mal das und hier nochmal das. Da kann man sich natürlich gerade jetzt als Nichtexperte schnell mal abgehängt fühlen. Und braucht es das alles überhaupt? Oder wie viele Prompts oder Strukturen oder Ideen sollte man eigentlich wirklich kennen, so, um einen guten Prompt erstellen zu können?
Kai Spriestersbach: Ja, es kommt natürlich ein bisschen darauf an, was man mit der KI tun möchte. Also, wenn man einmal seinen Workflow hat, beispielsweise, man will halt Blogbeiträge für, keine Ahnung, den eigenen Unternehmensblog schreiben, dann reichen wahrscheinlich fünf, sechs sinnvolle Anweisungen, wo man, ja, mal ein Outline generiert, also eine stichpunktartige Inhaltsliste für zu einem Thema oder eine Liste von möglichen Titeln oder Überschriften, die vielleicht auch klickstark sind, die in den sozialen Medien gut funktionieren. Aber das Anwendungsfeld – oder das potenzielle Anwendungsfeld ist natürlich gigantisch und breit, also von dem oder der Schülerin, die ihre Hausarbeiten damit machen damit, da – ja, ich empfehle einfach wirklich, sich einmal damit zu beschäftigen, wie diese Technologie funktioniert, und dann selber damit zu experimentieren. Also, das Verständnis ist, glaube ich, das allerwichtigste am Anfang, weil sonst, ja, die KI kann einem selbst nicht sagen, was sie nicht kann. Die macht dann einfach was, und es sieht so aus, als hätte sie das getan, was wir von ihr wollen, obwohl es teilweise halt kompletter Quatsch ist. Dann denkt sie sich irgendwas aus. Also auch darin wird die KI besser. OpenAI trainiert die ja immer mehr, dass sie dann auch sagt, “Ach nee, ich bin ein KI-Sprachmodell, und ich kann das nicht wissen”, oder “Ich kann das nicht beantworten”. Aber diese Filter, die funktionieren nicht immer, und dann kriegt man was, wo man denkt, ah schön, das hat funktioniert, und das ist totaler Käse. In meinem Buch verrate ich auch den einen Prompt, der alle anderen Prompts generiert. Das ist auch ein sehr schönes Konstrukt. Da fragt mich quasi die KI, was ich denn machen möchte, und liefert einen Prompt und auch Vorschläge für Verbesserungen. Also, theoretisch brauchen wir nur noch diesen einen, aber in der Praxis muss man sich natürlich schon auch intensiv damit beschäftigen und seinen eigenen Workflow finden. Das ist tatsächlich auch die größte Schwierigkeit, weshalb ich auch überlege, nochmal so einen Praxiskurs hinterher zu schieben, weil die Theorie und dieses Auseinandersetzen, da kann man wahrscheinlich auch noch eine Menge, ja, von erfahrenen Nutzern, sage ich einfach mal, profitieren, die schon viel ausprobiert haben.
Markus Hövener: Letztens auch mal gelesen, fand ich eigentlich ganz interessant, dass wir da ein Wahrnehmungsproblem haben mit Chat-GPT. Weil eben das Tool natürlich sprachlich antwortet, nehmen wir per se erst mal an, dass es richtig ist.
Kai Spriestersbach: Ja, diese Vermenschlichung von Technologie ist generell ein Problem. Also, wir sehen dahinter gleich irgendwie eine Intelligenz, obwohl wir da eigentlich nur eine Textschlange zurückkriegen. Das ist halt – ja, das ist aber normal, sag ich jetzt mal, und betrifft jeden. Selbst Entwickler, die genau wissen, wie man so ein Ding baut, sind davor nicht gefeit.
Markus Hövener: Würdest du dann trotzdem sagen, dass es künstliche Intelligenz ist? Also, Intelligenz würde man ja immer irgendwie damit verbinden, dass da irgendwas Höheres am Werk ist, und du hast ja eben gesagt, eigentlich ist das nur was, was halt stochastisch arbeitet. Also, es sagt eigentlich das nächste Token voraus. Klingt jetzt eigentlich gar nicht so wahnsinnig intelligent, was da passiert.
Kai Spriestersbach: Naja, nur weil man es sozusagen runterbricht, wie es funktioniert, finde ich, sollte man nicht darauf schließen, dass es deshalb keine Intelligenz ist. Also, man kann theoretisch das menschliche Gehirn ja auch erklären, wie es funktioniert. Deshalb macht es uns ja nicht weniger intelligent. Aber es ist halt schon so, dass die bisherigen Systeme halt einfach noch ihre Grenzen haben. Gott sei Dank, sonst bräuchte es uns Menschen vielleicht auch schon längst nicht mehr. Und die können nicht alles, aber die können schon erstaunlich viel. Also gerade GPT-4 hat Fähigkeiten, die KI-Forscher selber nicht vorausgesehen haben, die einfach sich zufällig ergeben. Und wenn so ein System halt hinreichend komplex ist, und wir reden ja hier über Systeme mit mehreren Milliarden Parametern, also das ist wirklich hochkomplex, dann entstehen da unerwartete Fähigkeiten, die den – naja, die Definition von KI – von Intelligenz ist halt auch schwierig. Also, ich finde, in der KI-Forschung hat sich eben dieses aufgabenbezogene Bewerten am ehesten bewährt. Also, quasi der KI verschiedene Aufgaben zu stellen und zu messen, wie gut sie diese beantwortet, und darin wird die KI messbar und sichtbar immer besser. Ob man das jetzt Intelligenz nennt, ist eigentlich nur eine Diskussion über was ist Intelligenz, also über was wir da reden. Und KI ist immer eigentlich das, was noch nicht mit Technologie geht. Sobald es dann geht, sagen wir, ja, “Das sind ja nur Algorithmen”, “Das ist ja nur ein Programm”, also das verschiebt sich ja auch. Also, vor 30 Jahren war KI noch ganz was anderes wie heute. Deshalb möchte ich das gar nicht beantworten, ob das jetzt Intelligenz ist oder nicht. Ich finde es wahnsinnig cool, wahnsinnig faszinierend, zum Teil wahnsinnig hilfreich, aber auch wahnsinnig potenziell gefährlich. Also gerade hinsichtlich Fake News und Desinformation. Oder auch vielleicht die, naja, wenn man halt künstliche Intelligenz nutzt, um Entscheidungen zu treffen, wo man besser einen Menschen drangesetzt hätte, kann halt da auch viel Unsinn bei entstehen. Also von Diskriminierung bei Bewerbungsprozessen über – keine Ahnung – schlechte Entscheidungen, was irgendwelche Unternehmensentscheidungen angeht, und so weiter.
Markus Hövener: Wir müssen natürlich jetzt noch ein bisschen, den Bogen zu SEO kriegen, ist ja auch eigentlich angestammtes Thema von dir. Ich denke, wir alle kennen die Google Richtlinien oder jetzt die Search Essentials. Findest du, dass die klar sind in Bezug auf das, was man jetzt mit Chat-GPT in Bezug auf SEO machen darf?
Kai Spriestersbach: Ich finde schon, ja. Also Google hat ja jetzt mehrfach klargestellt, dass es quasi egal ist, ob ein Text von einer KI generiert wurde oder nicht. Wichtig ist einzig und allein halt, dass er für Nutzer geschrieben wurde oder für Nutzerinnen und einen Sinn oder Zweck erfüllt. Und nicht eben um, ja, das Suchmaschinenergebnis zu manipulieren, heißt es ja immer so schön, geschrieben wurde. Und dementsprechend kommt ja zuhauf immer die Frage, erkennt Google Chat-GPT generierte Texte? Und dann kommen diese ganzen Tools daher. Das ist alles Quatsch. Also um das Ein für alle Mal aufzuräumen, es ist nicht möglich, weil dieses Modell ebenso statistisch funktioniert, ist es auch nicht möglich nachzuweisen mit Sicherheit, dass ein Text von so einem KI-Modell erstellt wurde. Das kann man in manchen Fällen, in bestimmten Fällen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sagen, aber man wird es nie mit ausreichender Konfidenz wissen, und das lohnt sich für Google auch gar nicht. Für Google ist doch am Ende des Tages entscheidend, ist der Text gut oder nicht? Bei antwortet er die Frage des Nutzers oder der Nutzerin? Und ob er dann von irgendeinem armen Ein-Sterne-Texter Quatsch geschrieben wurde oder Chat-GPT Blödsinn behauptet hat, ist doch egal. Dementsprechend würde ich sagen, konzentriert euch darauf, gute Inhalte zu schreiben, gerne mit Unterstützung der KI. Und es gibt ja auch die Diskussion, soll ich jetzt zum Beispiel – man kann ja mit einer einzigen – mit einem einzigen Prompt Chat-GPT bitten, beispielsweise einen Artikel über – ich weiß nicht – über Linkbuilding für ein Glossar zu schreiben. Und dann ist ja die Frage, ist das jetzt ein Text, der meine Webseite wertvoller macht oder nicht? Und ich habe dann oft die Frage bekommen, oder ich habe vorher mal gesagt, macht sowas nicht, stellt sowas auf keinen Fall online. Dann kam halt oft auch der Einwand, ja, aber ich bin in der Nische XY, und da gibt es noch irgendwie gar keine Informationen, und auf der Webseite sind auch noch keine Informationen. Deshalb habe ich mir mittlerweile eine andere Antwort einfallen lassen, und die lautet einfach, wenn das, was Chat-GPT euch da generiert, besser ist als das, was ihr unter der Google Suchanfrage dazu findet, auf den vorderen Plätzen, ja, dann kann es auch sinnvoll sein, einen solchen Text zu veröffentlichen auf eurer Webseite. Aber seid da bitte kritisch und lügt euch nicht in die eigene Tasche. Das wäre so –
Markus Hövener: Okay, gut. Die Frage, was jetzt besser ist, ist ja sowieso immer kritisch oder schwierig, weil es gibt keine Metrik von null eins, wo du sagst, Boah, das ist jetzt aber 0,8, die anderen sind 0,6, ich bin besser. Da muss man sich doch eigentlich in die Tasche lügen, oder?
Kai Spriestersbach: Ja, natürlich, man kann sich halt auch überlegen, welche Fragen gibt es. Was könnte ein Informationsbedürfnis des Nutzers sein? Und dann irgendwie gucken, beantworte ich die, beantwortet die Konkurrenz die? Es gibt tatsächlich Branchen, ist mir jetzt auch schon begegnet, weil mir ein paar Sachen zugespielt wurden, da gibt’s quasi nichts. Da hat nie irgendjemand mal SEO gemacht oder ist auf die Idee gekommen, dass Content Marketing vielleicht eine gute Idee ist. Es gibt solche Branchen. Okay, go for it! Dann haut raus und seid der erste sozusagen, dann seid ihr sozusagen der Knowhow-Führer. In allen anderen Bereichen ist es halt schwierig, je enger der Wettbewerb wird – und du wirst es wahrscheinlich auch kennen, diese typischen – ja, die TF-IDF-Tools machen ja auch nichts anderes. Der eine schreibt vom anderen ab. Ich hatte letzte Woche erst mit jemanden eine Diskussion, der dann gesagt hat, ja, aber wenn ich jetzt mega viel Zeit und Invest in richtig geile, unique Inhalte stecke, nächste Woche hat sie mein Mitbewerber schon wieder abgeschrieben. So, das lohnt sich doch alles gar nicht. Natürlich, das ist ein Grundproblem, und ich denke aber dennoch, es lohnt sich halt, wenn du derjenige bist, der halt vorne weggeht. Der vielleicht immer der erste ist oder der besondere Daten oder Informationen hat, die es vielleicht nur bei dir hier gibt, oder zumindest du halt es schaffst, nachhaltig sozusagen der ja, ich will jetzt nicht Fort Leadership – das Wort mag ich eigentlich gar nicht – aber sozusagen der Wissensführer, da gehört ja viel dazu. Und wenn es nur die beste Aufbereitung von Informationen, die jeder hat, ist. Also, auch die Art der Aufbereitung, die das halt eben – weiß ich nicht – in verdauliche, verständliche Happen zu formulieren, das kann auch ein Mehrwert sein. Auch wenn alle sozusagen dasselbe Wetter kennen, vielleicht die unterhaltsamste Art, das Wetter rüberzubringen, kann auch schon reichen.
Markus Hövener: Wie gefällt dir denn das, was Google und Bing da so machen? Es gibt ja New Bing mit diesem Chat Interface. Dann gibt’s es die Search Generative Experience bei Google, wo es diese Snapshots gibt, die dir quasi, ja, Sachen schön zusammenfassen. Bringt das die Suche nach vorne?
Kai Spriestersbach: Ich bin mir wirklich nicht sicher. Also in der Theorie, wenn es, sagen wir mal, es würde perfekt funktionieren – derzeit sehen wir einfach, dass es wahnsinnig oft noch nicht gut funktioniert – aber nehmen wir mal an, die schaffen das wirklich, diese Probleme zu beheben, würden auf Basis der Suchanfrage des Nutzers Informationen aus Webseiten, aus ihrem Index ziehen und die dann mit KI schön aufbereiten, zusammenfassen, was auch immer, dann kann das tatsächlich eine bessere Suche sein, als sie heute der Fall ist. Ich finde nur, dann muss sichergestellt werden, dass ich als Suchender oder Suchende stets quasi nachvollziehen kann, wo stammen die Informationen her? Also die Quellen muss Google oder Bing meiner Meinung nach definitiv angeben. Ähm, und wir als Website betreibende oder Veröffentlichende im Internet haben natürlich auch ein gewisses Interesse daran. Unsere Informationen stellen wir ja nicht Google zur Verfügung, damit die damit Geld verdienen, sondern am Ende des Tages, dass wir hoffentlich auch Nutzer oder Besucher darüber generieren. Und ich bin mal gespannt, ob es – ja, ob es Google schafft, quasi das Beste – oder das miteinander zu verheiraten, eben. Einerseits die Antworten selber zu geben und dennoch den Websitebetreibern und -betreiberinnen halt irgendwie noch eine Art von Benefit zu geben. Ich kann mir sogar vorstellen, was Bing vorgeschlagen hatte, dass sie einfach uns an den Werbeeinnahmen beteiligen. Das fände ich sogar ein sehr charmantes Modell, bei dem ich nicht mehr irgendwie Google AdSense einsetzen muss, um den Besucher oder die Besucherin zu monetarisieren auf meiner Webseite, sondern ich bekomme direkt, weil ich eben die Information für Googles Antwort geliefert habe, keine Ahnung ein paar Cent oder was auch immer von der aktuellen Nutzer Session, weil derjenige auf einen Banner geklickt hat oder eine Anzeige. Das fände ich super spannend.
Markus Hövener: Also spannend fände ich das auch, aber die Frage, was dabei zusammenkommt und wie dann so der Topf aufgeteilt wird, ne, dann fünf Seiten –
Kai Spriestersbach: Ja gut, Verteilungskämpfe wird es dazu geben. Siehe – wie heißt es, dieses Urheberrechtsthema bei den Verlagen? Oder auch Verwertungsgesellschaften. Also, es kann sein, dass wir in Deutschland eine KI-Verwertungsgesellschaft bekommen werden, bei denen wir regulativ alle KI-Betreiber dazu zwingen, einen gewissen Teil ihres Umsatzes da reinzuzahlen, und der Topf wird dann wieder aufgeteilt. Das kann passieren. Wir haben ja jetzt schon Urheberrechtsabgaben. Das ist alles noch zu regeln.
Markus Hövener: Ist aber auf jeden Fall ein guter Punkt. Vielleicht zu der nächsten Frage, nämlich. es gibt ja auch legislative Ideen oder Vorstöße, was man so als Gesetzgeber machen könnte, entweder Europäische Union oder Deutschland alleine, zum Beispiel eine Kennzeichnungspflicht solcher Inhalte. Da geht es natürlich häufig auch eher um Bildinhalte, die per KI generiert werden, aber auch um Textinhalte. Also kriegen wir da irgendwann so eine (Lex? 26:00) GPT oder was glaubst du, was da kommen wird, die nächsten Tage?
Kai Spriestersbach: Na, wir sehen ja schon – also eine (Lex? 26:05)-GPT halte ich für falsch, weil wir brauchen einen Ansatz, der kurz – also der langfristig trägt, wenn wir uns schon darüber unterhalten. Also erst mal finde ich es ganz wichtig, und um ehrlich zu sein, das ist auch eine meiner Hauptanliegen, warum ich überhaupt dieses Buch geschrieben habe und warum ich ein Sachbuch bewusst geschrieben habe und kein Fachbuch. Weil das ist halt was, das ist im politischen Diskurs, und das müssen wir als Gesellschaft – wir müssen als Gesellschaft uns darüber unterhalten, wie soll die KI in Zukunft funktionieren. Und was wollen wir zulassen und was nicht. Und das geht halt eben nur, wenn wir in der breiten Bevölkerung ein gewisses Verständnis für solche Themen haben. Sonst sind wir halt abhängig oder im Zweifel ausgeliefert von irgendwelchen, ja, Unternehmensinteressen oder politischen Einflussnahme. Das wird natürlich trotzdem passieren. Wir sehen auch in Amerika gerade, was passiert. OpenAI selbst ruft, “Oh Gott, oh Gott, wir brauchen ganz schnell Regulierung!” und macht Angst vor irgendwelcher menschenfressender KI, damit sie die Regulierung selbst gestalten können. Und dazu kann ich übrigens einen sehr, sehr, sehr guten Vortrag vom Jürgen Geuter auf der Republica euch ans Herz legen. Der ist der erste, den ich so wahrnehme, der mal kritisch über das Thema gesprochen hat. Ja, wir müssen darüber diskutieren, was wir wollen und was wir nicht wollen. Wir haben es in der Hand sozusagen, und die EU bereitet ja gerade den EU AI Act vor. Der ist auch schon relativ weit, der hat ein paar Stärken, ein paar Schwächen. Ich finde ihn grundsätzlich aber richtig und gut. Aber in der Praxis haben wir auch schon viele Gesetze, die gelten. Und die Probleme, die jetzt verstärkt werden durch KI, wie zum Beispiel Desinformation, das ist ja nichts neues. Also, es ist einfach nicht strafbar, wenn ich auf meiner Webseite Unsinn schreibe. Es wird erst dann strafbar, wenn ich über eine Person irgendwas – ja, wenn ich halt verleumderisch werde, wenn ich falsche Tatsachenbehauptungen, die ehrenrührig werden, und so weiter, dafür gibt’s strafbare Dinge. Aber ich kann da drauf schreiben, der Mond ist aus Käse, da kann mich keiner hindern, und das ändert auch KI nicht. Von daher bin ich ein bisschen, ja, nicht der Meinung, wir sollten da jetzt KI-spezifische Gesetze schaffen, sondern uns Gedanken machen, wie können wir das grundsätzliche Problem lösen. Und ich finde, es braucht einfach Transparenz. Zum Beispiel werden heute schon bei Bewerbungen KI-Systeme eingesetzt, obwohl wir wissen, dass die Biases, die da sind, einfach verstärken, weil sie auf Daten trainiert wurden, die halt – ja, wo einfach Männer zum Beispiel für technische Berufe bevorzugt wurden. Das ist einfach aus der Historie in den Daten drinnen, und dann wird die KI, jede KI, die auf diesen Daten trainiert wird, die gleiche Scheiße, sag ich jetzt mal, weitermachen.
Markus Hövener: Oder noch schlimmer, ja.
Kai Spriestersbach: Oder noch schlimmer, genau. Auch diese Verstärkungsalgorithmen und so weiter. Also das wird – es wird nicht besser, sagen wir es mal so. Wir müssen uns da ernsthaft drüber unterhalten.
Markus Hövener: Das Thema rechtliche Bewertung ist ja ohnehin Thema, auch in deinem Buch. Droht da vor allem in den USA jetzt eine gewaltige Prozesslawine? Ich meine, da geht es ja auch immer um höhere Summen auf dem Zettel später.
Kai Spriestersbach: Ja, in den USA, glaube ich, wird es anstrengender und teurer, weil die ja dieses Case Law haben. Das heißt, du brauchst jetzt erst mal jemanden, der in konkreten Fällen was bis höchst- also letztinstanzlich durchfechtet, bis dann irgendwie ein oberstes Gerichtshof irgendwas grundsätzlich – so ein Grundsatzurteil halt fällt. In Deutschland gelten ja die bisherigen Gesetze. Ich habe in meinem Buch mich auf die Einschätzung von Christian Solmecke da berufen, der das, finde ich, ganz gut zusammengefasst hat. Aber in der Praxis ist es halt schwierig. Also auch wenn auf der einen Seite ein KI-generierter Text nach der Einschätzung der meisten Urheberrechtsexperten nicht schützenswert ist, weil das kann ja nur ein Mensch, und es muss ein zielgerichteter, kreativer, schöpferischer Akt irgendwie erfolgt sein, ist halt die Frage, wenn ich mit Hilfe von einer KI einen Text schreibe, und ich bin derjenige im Driver Seat, der den Text, sag ich mal, sich ausdenkt, formt, gestaltet, umstellt. Ich formuliere die Prompts, ich entscheide, was ich davon übernehme, in welcher Reinfolge und so weiter, dann ist halt irgendwann der Punkt erreicht, wo eine Schöpfungshöhe da ist und wo der Prozess durch mich schöpferisch war. Wenn – keine Ahnung, Kunstschaffende setzen ja auch Technik ein und Technologie ein, und trotzdem würde niemals sagen, das ist keine Kunst, oder das ist nicht urheberrechtlich schützenswert. Also, die Grenze zu finden, ab wann ein Text sozusagen von mir ist, der ist, ja, im Einzelfall zu klären. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass das auch völlig in Ordnung ist. Also, ich setze selber diese Technologien auch ein, schon in meinen Blogbeiträgen, um einfach mich zu beschleunigen oder meinen Output zu steigern oder um Formate umzuschreiben, abzuwandeln und so weiter. Aber ich stehe mit meinem Namen drunter, weil ich am Ende des Tages sage, ja, ich mache mir diesen Text, auch wenn er von der KI steht, zu gewissem Teil zu Eigen. Ich bin dafür haftbar. Ich stehe da – also, das ist jetzt nicht anonym. Und ich glaube, dieses Thema Kennzeichnungspflicht ist wichtig. Das ist aber im EU AI Act schon drin, dass eben Texte, die nicht – wo kein Unternehmen oder keine Firma sozusagen dahinter steht, sind als Hochrisikoanwendung eingestuft und dementsprechend extremen Auflagen unterlegen. Das finde ich einen guten Ansatz. Manche KI-Forscher sagen, das behindert die Innovation. Das sehe ich aber nicht so. Ja, es ist ein Kampf mal wieder, jeder will seine Interessen durchsetzen. Aber es ist auch nicht so, dass wir hier in einem rechtsfreien Raum leben. Also, das ist nicht so, auch wenn der Eindruck manchmal erzeugt wird, oder ja.
Markus Hövener: Dann hätte ich eigentlich nur noch zwei Fragen, und die eine kommt auch aus deinem Buch, oder die – ja, ob ich als Texter mir sorgen machen sollte jetzt. Also macht Chat-GPT mich als Texter arbeitslos? Fand ich eine interessante Frage und eine interessante Antwort.
Kai Spriestersbach: Ja, es kommt halt ein bisschen drauf an, was ich als Texter getan habe, ehrlich gesagt. Also, wenn ich, sage ich mal – wie soll ich das formulieren, ohne da gewissen Leuten auf die Füße zu treten? Aber du kennst die wahrscheinlich selber so, diese Ein- bis Drei-Sterne-Texte. Wenn du da irgendwie gesagt hat, ich hätte gerne einen Text über XY, dann haben die Texter häufig, einfach weil sie zu wenig Cent pro Wort als Bezahlung bekommen haben, sich irgendwas aus den Fingern gesaugt. Also, da wurde keine Recherche betrieben, die waren oft auch keine Experten auf diesem Gebiet. Sie haben halt einfach das, was in ihrem Kopf war, grad darunter gehackt und möglichst viele noch Füllwörter eingebaut, damit sie auf ihre Wortanzahl kommen. So also, wenn ich solche Texte produziert habe, ja, dann solltest du dir garantiert Sorgen machen, weil das kann Chat-GPT sehr viel besser und sehr viel günstiger und sehr viel schneller. Wenn allerdings die Arbeit darin besteht, sich auch zu überlegen, ja, was will der Leser oder die Leserin? Was interessiert mich? Wie kann auch die Struktur oder auch Sorry Telling aussehen? Letztlich, was macht einen wirklich hochwertigen journalistischen Beitrag aus? Da sind ja auch in der Regel hoffentlich so eine Art investigativer Anteil oder irgendein recherchierender Anteil, oder ich befrage jemanden oder ich erhebe irgendwelche eigenen Daten und habe Informationen oder aus meiner – also, ich mache das ja auch gerne, dass ich irgendein Tool teste und dann darüber schreibe, was meinen Eindruck von diesem Tool ist. Sowas kann natürlich die KI nicht, weil sie das Tool nicht testen kann, sozusagen. Also, wenn ich so arbeite, brauche ich mir keine Sorgen machen, ganz im Gegenteil, dann würde ich eher sagen, dann heiß doch die KI willkommen, setz dich damit auseinander, weil du kannst deine Arbeit dadurch besser, schneller, leichter machen im Zweifelsfall. Und dieser blöde Spruch, den hast du wahrscheinlich auch schon tausendmal gehört, nicht die KI wird die Texte ersetzen, sondern ein Texter, der KI einsetzt, wird den Texter, der keine KI einsetzt, ersetzen. Und so würde ich das eigentlich auch am liebsten beantworten.
Markus Hövener: Okay, dann hätte ich nur noch die Schlussfrage. Ich meine, du steckst wahnsinnig tief in dem Thema drin, und wir haben jetzt quasi ein halbes Jahr Chat-GPT hinter uns. Was kommt jetzt im nächsten halben Jahr? Kennst du schon Sachen, die jetzt so in der Pipeline stecken, die kommen werden?
Kai Spriestersbach: Ja gut, das ganze Thema Multimodalität wird jetzt sich halt noch mehr äußern. Sprich, wir sehen nicht nur Text, sondern Bild und jetzt auch schon Videos. Es kommen ja schon die ersten Modelle und die ersten Methoden, also Bewegbild generiert. 3D-Modelle werden schon generiert, oder gesamte 3D-Umgebungen. Das wird immer besser, immer perfektionierter. Ich glaube tatsächlich, dass wir die großen Sprünge jetzt nicht sehen. Also ich glaube eher, es kommt jetzt so eine Art Abkühlungsphase, wo wir viele kleine Verbesserungen sehen, speziell trainierte Modelle für den Bereich Medizin, für den akademischen Einsatz und so weiter. Also viele sozusagen angepasste Speziallösungen, die in einer Nische dann nochmal, ja, auch qualitativ einen Unterschied machen. Aber ich kann mir ehrlich gesagt auf Basis der jetzigen Fortschritte nicht vorstellen, dass wir in den nächsten fünf Jahren tatsächlich den großen Sprung auf eine, ja, allgemeine KI, die – also die wirklich nochmal signifikant oder spürbar besser, intelligenter, was auch immer man das nennt, sein wird. Es wird ja auch immer aufwendiger und teurer, die zu trainieren. Es wird jetzt erst mal so eine Phase geben der Commodity Verbreitung, also KI zieht jetzt einfach überall ein. In jedem Tool wird jetzt KI drin sein. Man sieht es ja jetzt schon bei Microsoft, Ankündigung in der Office Suite. Ja, also, ich glaube, es wird überall kleine Helfer geben. Aber es wird jetzt nicht so sein, dass in fünf Jahren die Roboter anfangen, gegen uns aufzubegehren. Das wird vielleicht noch zehn oder 15 Jahre dauern. Mal gucken. Aber ich freue mich schon drauf.
Markus Hövener: Auf das Aufbegehren? Ja!
Kai Spriestersbach: Ja, es wird kommen! Irgendwann ist die Frage. Die Menschheit wird – also, meine These ist mittlerweile – das ist ein bisschen scherzhaft, jetzt, aber ich frage mich, ob wir es schaffen, den Planeten so schnell zu ruinieren, oder ob wir es noch hinkriegen, dass wir den Rise of the Machines erleben.
Markus Hövener: Ja, das ist ja – das sind wirklich gute Aussichten. Aber ich fürchte, die Frage werden wir heute nicht mehr ganz klären können. Und bis dahin können wir auf jeden Fall noch ein paarmal grillen. Und euch da draußen würde ich jetzt ehrlich gesagt auch nur noch ans Herz legen, wer den Spriestersbach noch nicht auf seinem Nachtschränkchen liegen hat, bitte zuschlagen, gerne auch in örtlichen Buchhandlungen, damit wir nicht alles dem amerikanischen Universalversender in den Rachen schmeißen. Richtig Texten mit KI heißt das Buch. Kai, es war mir ein fest sind. Schön, dass du da warst!
Kai Spriestersbach: Vielen Dank, Markus. Ja, hat Spaß gemacht. Super Fragen!
Markus Hövener: Und ja, ihr da draußen, bleibt am Thema dran und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir den Kai vielleicht nächstes Jahr nochmal hierhin holen, und dann gucken wir mal, was alles so passiert ist.
Kai Spriestersbach: Mal sehen, was sich bis dann tut!
Markus Hövener: Oder vielleicht sitzen dann einfach nur noch zwei Maschinen, die sich unterhalten, und dann –
Kai Spriestersbach: Ja, und wir liegen dann am Strand, oder gibt es uns dann nicht mehr? Das ist die Frage.
Markus Hövener: Wenn die Maschine gut ist, dann gibt es uns nicht mehr. Nein, ich finde, wir haben alle wahrscheinlich zu viel Terminator gesehen und haben – diese Idee ist natürlich immer da. Das ist völlig klar, und vielleicht ist das angesichts einer zu erwartenden Lebenszeit dann einfach nicht mehr mein Thema, sondern das muss dann jemand anders durchfechten.
Kai Spriestersbach: Das ist die Hoffnung, ja!
Markus Hövener: Okay, also, dir noch mal vielen Dank. Euch da draußen eine gute Zeit, kommt gut durch den Sommer, und hoffentlich bis bald! Tschau!
Kai Spriestersbach: Tschüss!
Markus Hövener
Markus Hövener ist Gründer und SEO Advocate der auf SEO und SEA spezialisierten Online-Marketing-Agentur Bloofusion. Als geschäftsführender Gesellschafter von Bloofusion Germany ist er verantwortlich für alle Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Markus Hövener ist Buchautor, Podcaster und Autor vieler Artikel und Studien rund um SEO.
Markus hat vier Kinder, spielt in seiner Freizeit gerne Klavier (vor allem Jazz) und genießt das Leben.
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