Die große Google Ads-Positionsanalyse Teil 4: Qualitätsfaktoren
Im Rahmen unser großen Datenauswertung rund um exakte Anzeigenpositionen habe ich hier viel zu Klickraten geschrieben. Im vorerst letzten Teil geht es nun um eine neue Perspektive: Wir schauen uns die drei Aspekte des Qualitätsfaktors an.
Wie geht das denn jetzt?
Im ersten Teil dieser Reihe habe ich beschrieben, wie wir an unsere Daten gelangt sind. Der erste Schritt bestand darin, die Daten des Anzeigenberichts maximal granular zu segmentieren – unter anderem nach Datum und Keyword.
Vor zwei Jahren hat Google die Auswertungsmöglichkeiten für Qualitätsfaktor-Daten stark ausgebaut. Seitdem gelingt die strukturierte Auswertung der Einflussfaktoren des Keyword-Qualitätsfaktors. Wo man vorher mit dem Mauszeiger jedes Keyword einzeln prüfen musste, bekommt man seitdem tabellarische Daten.
Im gleichen Zug hat Google auch die historischen Daten zugänglich gemacht, und zwar rückwirkend bis Februar 2016. Wir können also feststellen, wie Google die drei Faktoren für ein Keyword an einem bestimmten Tag eingeschätzt hat.
Aus dieser Datenverknüpfung ergeben sich einzigartige Einblicke in den Qualitätsfaktor, die wir im Folgenden untersuchen.
Die drei Einflussfaktoren des Qualitätsfaktors
Für diese Auswertung schauen wir uns nicht den aggregierten Keyword-Qualitätsfaktor mit seinen Werten von 1–10 an, sondern die drei Faktoren, aus denen sich der Zahlenwert zusammensetzt:
- Eine Verbesserung der erwarteten Klickrate verbessert den Qualitätsfaktor um 1,75 Punkte.
- Eine Verbesserung der Anzeigenrelevanz verbessert den Qualitätsfaktor um einen Punkt.
- Eine Verbesserung der Nutzererfahrung mit der Zielseite verbessert den Qualitätsfaktor um 1,75 Punkte.
Die Gewichtung dieser Aspekte sieht so aus:
Soweit die Theorie (meine – leider nur englischsprachige – Analyse dazu steht hier). Im Folgenden gehen wir die drei Faktoren durch und schauen, wie sich das mit unseren Daten deckt.
Einflussfaktor 1: Erwartete Klickrate
Der interessanteste Faktor ist Googles Einschätzung der erwarteten Klickrate. Diese können wir mit der tatsächlichen Klickrate vergleichen, was dann so aussieht:
Hier sehen wir für jede Position die Klickraten der Keywords, die Google als unter-, über- oder schlicht durchschnittlich einschätzt. Nehmen wir Google beim Wort, dann können wir aus dem mittleren Balken schließen, was Google auf den einzelnen Positionen jeweils für eine durchschnittliche bzw. normale Klickrate hält.
Klar ersichtlich ist, dass die erwartete Klickrate mit der tatsächlichen Klickrate korreliert. Das ist erstmal eine gute Nachricht, denn es zeigt, dass Googles Einschätzung mit der Realität zusammenpasst.
Auffällig ist, dass zwischen unterdurchschnittlicher und durchschnittlicher Klickrate nur ein kleiner Unterschied besteht. Das lässt sich unterschiedlich interpretieren:
- Es ist gut möglich, dass auch im schlechtesten Fall immer noch eine gewisse Klickrate da ist, weil Leute einfach klicken.
- Ich würde auch gerne glauben, dass wir in unseren Konten einen so hohen Standard haben, dass ganz miese Klickraten ausbleiben.
- Am wahrscheinlichsten erscheint mir jedoch, dass hier eine Wechselwirkung am Werk ist: Wenn die erwartete Klickrate in der Anzeigenauktion sehr niedrig ist, dann erscheint die Anzeige erst gar nicht und zieht den Schnitt auch nicht nach unten.
Für die letzte Interpretation spricht auch die Verteilung der Impressionen (siehe unten).
Einflussfaktor 2: Anzeigenrelevanz
Die Anzeigenrelevanz war für mich immer ein unklarer Faktor. Ihr Gewicht im Qualitätsfaktor ist geringer als das der beiden anderen. Dafür scheint sie mir als naher Verwandter der erwarteten Klickrate: Wenn die Relevanz gut ist, dann müsste doch auch eine hohe Klickrate zu erwarten sein.
Die Ergebnisse haben mich allerdings überrascht:
Hier wird direkt offensichtlich, dass Klickrate und Anzeigenrelevanz nicht korrelieren. Egal wie man die Daten filtert (nur bestimmte Konten, andere Zeiträume): Das Ergebnis bleibt. Lediglich der große Unterschied auf Platz 1 verschwindet, weshalb man ihn getrost als Ausreißer verbuchen kann.
Einflussfaktor 3: Nutzererfahrung mit der Zielseite
Die Zielseite sollte mit der Klickrate einer Anzeige eigentlich am wenigsten zu tun haben. Und tatsächlich:
Hier wird klar, dass eine gute Zielseitenerfahrung (nach Googles Einschätzung!) nicht zwangsläufig mit einer hohen Klickrate einhergeht. Stattdessen deutet sich sogar eine negative Korrelation an.
Kann es also sein, dass eine schlechte Zielseite für höhere Klickraten sorgt? Eher nicht, aber ein anderer Zusammenhang ergäbe Sinn: Eine höhere Klickrate ist notwendig, um die schlechte Zielseite auszugleichen. Dabei reicht schon eine leicht verbesserte Klickrate, um eine Stufe bei der Zielseite auszugleichen.
Das legt nahe, dass die Zielseite in der Anzeigenauktion eine Rolle spielt, aber keine besonders große.
Was die Zielseite angeht, lohnt sich noch ein Blick auf eine andere Metrik: Die Conversion Rate. Theoretisch sollte eine bessere Zielseite ja auch mit einer höheren Conversion Rate einhergehen. Auch hier ergibt sich ein recht klares Bild:
Der Zusammenhang ist tatsächlich da: Eine bessere Zielseitenerfahrung geht im Schnitt auch mit einer höheren Conversion Rate einher. Ehrlich gesagt bin ich ein wenig überrascht, dass Google das offenbar inzwischen so gut hinbekommt.
Man könnte übrigens auch denken, dass die Conversion Rate auf den ersten Positionen besser sei. Der Zusammenhang ist aber ein anderer: Eine bessere Conversion Rate zieht in der Regel höhere Gebote nach sich, was dann zu besseren Positionen führt. Ein davon unabhängiger Effekt der Position auf die Conversion Rate lässt sich mit unseren Daten aber weder aufzeigen noch widerlegen.
Klickpreise
Eine für die Praxis potenziell wichtige Frage ist, wie sich die Klickpreise verändern, wenn man einen der Einflussfaktoren verbessert. Auch zu dieser Elastizität findet sich eine Antwort in unseren Daten:
Leider muss ich diese Antwort aber gleich wieder infrage stellen, denn Klickpreise hängen immer auch von den Geboten und der Konkurrenzsituation ab. Deshalb muss ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese Daten sicher nicht zu verallgemeinern sind.
Was die obige Darstellung der Durchschnitte nicht enthält, sind die Schwankungen. Während der Zusammenhang bei der erwarteten Klickrate und der Anzeigenrelevanz noch recht klar war, verhielt es sich bei der Zielseite etwas anders.
Bei der Zielseite führte eine Verbesserung öfter sogar zu höheren Klickpreisen. Das ist allerdings auch logisch, denn wenn mit der besseren Zielseite eine höhere Conversion Rate einhergeht, dann wird üblicherweise auch höher geboten. Bedenkt man diesen Effekt, dann läge die tatsächliche Elastizität nicht bei den angegebenen 11 %, sondern irgendwo darüber.
Verteilung
Es lohnt sich, auch einen Blick auf die Verteilung der Impressionen zu werfen. Die sah bei uns so aus:
Generell könnten wir nun gut angeben: Die meisten unserer Impressionen standen im Zusammenhang mit einer überdurchschnittlichen Bewertung. Aber auch hier dürfte der Zusammenhang ein anderer sein: Bei einer schlechten Bewertung ist die Wahrscheinlichkeit einer Impression deutlich geringer.
Erkenntnisse
Der sichtbare Keyword-Qualitätsfaktor ist nicht das, womit Google in der Anzeigenauktion rechnet. Wie genau der Keyword- und der Auktions-Qualitätsfaktor zusammenhängen, ist schon lange Gegenstand von Spekulationen (sofern man mitbekommen hat, dass es sich dabei um verschiedene Dinge handelt). Mit unseren Daten kommen wir nun ein Stück weiter.
Erkenntnisse zur Zielseite
Die Ergebnisse legen nahe, dass die Zielseite eine Rolle in der Anzeigenauktion spielt. Für den Großteil der Branche ist das nichts Neues, denn viele glauben ohnehin, dass die Zielseite ein gewichtiger Faktor ist.
Dagegen spricht allerdings, dass es ökonomisch wenig sinnvoll ist, die Zielseite einzubeziehen. Letztlich profitiert Google am meisten, wenn einerseits die Anzeigenauktion gewinnmaximal ausgestaltet wird, während andererseits nach außen die Nutzerzufriedenheit in den Vordergrund gestellt wird. Genau so scheint es auch zu laufen, denn Google hat sich bei diesem Widerspruch nie festgelegt, ist dabei aber immer so unauffällig vorgegangen, dass das kaum jemandem aufgefallen ist.
Dass die Zielseite tatsächlich eine Rolle spielt, deuten unsere Daten recht klar an. Wie groß deren Einfluss ist, dazu haben wir allerdings widersprüchliche Ergebnisse.
Aus dem Zusammenspiel von Klickrate und Zielseite ergibt sich, dass eine kleine Verbesserung der Klickrate ausreicht, um große Unterschiede bei der Zielseite auszugleichen. Demnach wäre die Bedeutung der Zielseite gering. Betrachtet man hingegen die Klickpreise und bedenkt, dass bei der Zielseite auch noch höhere Gebote mit reinspielen, dann hätte die Zielseite eine deutlich größere Bedeutung.
Ich persönlich vertraue eher dem ersten Ergebnis, denn alles andere ergibt ökonomisch wenig Sinn. Warum Google die Zielseite aber überhaupt in der Auktion berücksichtigen sollte, ist mir noch nicht klar. Da suche ich weiter nach Erklärungen.
Für die Praxis kann ich aber nur das bekräftigen, was ich schon immer gesagt habe: Wenn man die Bedeutung von guten Zielseiten nur am Qualitätsfaktor festmacht, hat man schon verloren. Schön, wenn Google das nochmal würdigt, aber Zielseiten müssen vor allem für den Nutzer funktionieren.
Erkenntnisse zur Anzeigenrelevanz
Neu ist ansonsten die Erkenntnis, dass sich die Anzeigenrelevanz nicht in der Klickrate widerspiegelt. Sie lässt sich also auch nicht durch eine Optimierung der Klickrate verbessern. Dennoch scheint auch dieser Aspekt Einfluss auf Klickpreise zu haben und sollte daher nicht vernachlässigt werden.
In der Praxis ist die Anzeigenrelevanz wohl das am einfachsten zu erfüllende Kriterium: Die Anzeige muss zum Keyword passen. Ich bin nicht immer einverstanden mit Googles Bewertung, aber im Großen und Ganzen passt es wohl.
Erkenntnisse zur erwarteten Klickrate
Unsere Ergebnisse unterstützen das, aber auch so sollte klar sein: Dieser Aspekt muss in der Anzeigenauktion der wichtigste sein. Indem Google Gebote und Klickwahrscheinlichkeiten berücksichtigt, lässt sich der höchste Gewinn pro Werbeeinblendung erzielen. Letztlich geht es ums Geld.
Für die Praxis bedeutet das, dass eine Optimierung zur Verbesserung der Klickraten sinnvoll ist. Eine direkte Beurteilung von Klickraten ist allerdings gar nicht möglich, da vor allem die Anzeigenpositionen die Daten durcheinanderbringen. Wie unsere Auswertung gezeigt hat, muss man einen enormen Aufwand betreiben, um diesen Effekt herauszurechnen (und auch dann geht es nur im großen Stil).
Letzten Endes ist es deshalb an uns, sinnvolle Optimierungen zu testen, deren Auswertung aber Google zu überlassen (zu diesem Dilemma gibt es übrigens auch ein ausführliches Webinar). Im sichtbaren Qualitätsfaktor geht die Skala nur bis „überdurchschnittlich“, während in der Anzeigenauktion der genaue Wert eingeht. Es sind also auch im überdurchschnittlichen Bereich noch Verbesserungen möglich.
Fazit
Damit endet unsere Reihe zur Auswertung der Google Ads-Positionsdaten. Das Verfahren und die daraus gewonnenen Daten und Analysen sind soweit einzigartig. Erstmals haben wir verlässliche Antworten, wie wichtig die oberste Position wirklich ist, wo die Unterschiede zwischen den Geräteklassen liegen und wohin sich einige Dinge im Laufe der Zeit entwickeln.
An vielen Stellen hätte ich mir allerdings gewünscht, klarere Ergebnisse präsentieren zu können. Leider waren die Daten nicht immer eindeutig, was ich lieber vorsichtig eingeordnet habe, als irgendwas zu behaupten.
Ich bin gespannt, ob jemand unsere Analyse mit eigenen Daten wiederholen möchte. Internationale Agenturen und Toolanbieter dürften noch entschieden mehr Daten haben. Vielleicht versucht sich ja noch jemand daran, bevor Google die Positionsdaten im September aus dem System entfernt.
Martin Röttgerding
Martin Röttgerding ist Head of SEA in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion und schreibt schwerpunktmäßig über Google Ads im Bloofusion-Blog und hin und wieder in seinem SEA-Profi-Blog PPC Epiphany.
Martin Röttgerding ist auf LinkedIn zu finden.
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September 9th, 2020 at 09:12
Sehr interessant, danke für die Auswertung.