E-Mail-Targeting mit Google AdWords?

16. April 2015 | Von in SEA

Laut einem Bericht des Wall Street Journal könnte Google in Zukunft auch E-Mail-Adressen zur Ausrichtung von Anzeigen zulassen. Damit bekäme AdWords eine Ausrichtungsoption, die Facebook schon länger unter der Bezeichnung Custom Audiences anbietet.

Für eine solche Ausrichtung müssten Werbetreibende die E-Mail-Adressen von Nutzern bei Google hochladen. Google könnte diese dann mit denen von eingeloggten Google-Nutzern abgleichen, wobei Google bei manchen Nutzern ja sogar auf sekundäre Adressen zurückgreifen kann.

Wie das WSJ mit Bezug auf nicht näher benannte Quellen berichtet, ist eine Einführung dieser Ausrichtungsoption im Laufe des Jahres oder Anfang nächsten Jahres im Gespräch. Angeblich soll Google diese Ausrichtungsoption erst mal nur für die Suche, nicht aber für das Display-Netzwerk planen. Ich denke, dass man sich die Funktionsweise dann analog zu den Remarketing-Listen für Suchanzeigen (RLSA) vorstellen kann. Genau wie Remarketing-Listen würden auch E-Mail-Listen in Zielgruppen münden.

Wie bei RLSA-Zielgruppen müssten Werbetreibende ihre Suchanzeigen immer erst mal auf herkömmliche Weise ausrichten, also mit Keywords, dynamischen Suchanzeigen oder Shopping-Kampagnen. Die E-Mail-Zielgruppen kämen dann ergänzend hinzu: Als Ausrichtungsoption (“zeige die Anzeigen nur Leuten auf der Liste”) oder zur Gebotsanpassung (“wenn jemand auf der Liste steht, biete 50% mehr”).

Das WSJ erwähnt außerdem, dass bei Google auch über die Ausrichtung auf Lookalikes nachgedacht wird. Hierbei handelt es sich um Nutzer, die der ursprünglichen Zielgruppe ähnlich sind, sogenannte Similar Audiences. Diese Option existiert bereits für Remarketing-Zielgruppen, so dass es für Google prinzipiell kein Problem sein sollte, das gleiche für andere Arten von Zielgruppen zu implementieren.

Einschätzung

Ich glaube, allzu weit hergeholt ist das nicht: Eine Ausrichtung auf E-Mail-Adressen ist bei Facebook schon lange möglich und für Google rein technisch überhaupt kein Problem. Erreichen könnte man damit allerdings nur eingeloggte Nutzer. Hier hat Facebook sicher die Nase vorn – lange nicht jeder Google-Nutzer meldet sich auch an. Vermutlich wird man hiermit vor allem Android-Nutzer gut erreichen können.

Großartig ändern dürfte die neue Ausrichtungsoption die Werbung mit Google jedenfalls nicht. Schon jetzt bietet das Remarketing Werbetreibenden viele Möglichkeiten, Nutzer individueller zu erreichen. Das E-Mail-Targeting würde ähnliche Möglichkeiten auf einem anderen Weg bieten, was für Werbetreibende manchmal vorteilhaft sein könnte.

So könnte man E-Mail-Listen jederzeit verwenden, wohingegen die Nutzer für Remarketing-Zielgruppen erst gesammelt werden müssen, was den Einbau von Codes und etwas Zeit voraussetzt. Auch bleiben Nutzer nur maximal 18 Monate in solchen Zielgruppen, während E-Mail-Listen zeitlich unbegrenzt nutzbar wären. So könnte man beispielsweise auch Altkunden, die zuletzt vor zwei Jahren bestellt haben, ansprechen.

Ansonsten erscheint mir nicht alles in dem Bericht des Wall Street Journal einleuchtend. Dass Google die Ausrichtung auf E-Mail-Adressen nur für die Suche erlaubt wäre überraschend. Generell ist Google mit der Ausrichtung dort nämlich recht vorsichtig, während im Display-Netzwerk viel mehr möglich ist.

Das gilt insbesondere für das Remarketing, was ich am ehesten für vergleichbar mit dem E-Mail-Targeting halte. Hier kann man im Display-Netzwerk schon mit Zielgruppen ab 100 Nutzern arbeiten, während für die Suche mindestens 1.000 Nutzer vorhanden sein müssen. Google ist hier also sehr darauf bedacht, dass Nutzer in der Suche nicht allzu individuell angesprochen werden können.

Aus diesem Grund teile ich auch nicht die Befürchtungen von Jennifer Slegg, die bei The SEM Post ein Szenario aufzeigt, bei dem Werbetreibende ihre Ex-Partner usw. individuell mit Anzeigen verfolgen. Anders als sie glaube ich nicht, dass Google E-Mail-Listen per Richtlinie auf existierende Kunden beschränken wird, sondern eher, dass eine gewissen Zielgruppengröße notwendig sein wird – beispielsweise 1.000 aktive Google-Nutzer.

Skeptisch bin ich auch, was die Lookalikes bzw. ähnliche Zielgruppen angeht. Google hat bereits die Möglichkeit, basierend auf Nutzergruppen ähnliche Nutzer zu finden. Werbetreibende können davon allerdings nur im Display-Netzwerk Gebrauch machen, etwa beim Remarketing. Die Suche hält Google dagegen frei von solchen Dingen. Dass dies nun bei E-Mail-Listen anders sein sollte, glaube ich nicht. Wahrscheinlicher ist in meinen Augen, dass Google solche Funktionen erst mal nur für das Display-Netzwerk anbietet.

Und der Datenschutz?

Auch wenn ich den rechtlichen Aspekt nur oberflächlich beurteilen kann: Alleine schon, dass Facebook diese Ausrichtungsoption längst anbietet, lässt mich vermuten, dass es da wohl keine Probleme geben dürfte. Inwiefern die Weitergabe von E-Mail-Adressen an Google (ggf. auch verschlüsselt) von den eigenen Datenschutzvereinbarungen gedeckt ist, hängt vermutlich vom Einzelfall ab.

Problematischer dürfte für Google der PR-Aspekt sein. Dass Nutzer den Eindruck bekommen, dass Werbetreibende sie bei Google verfolgen, kann nicht im Sinne des Konzerns sein. Ich denke, das ist auch der Grund, weshalb Google nur größere und damit unpersönlichere Remarketing-Zielgruppen für die Suche zulässt und dort auch sonst die nutzerbezogene Ausrichtung stark beschränkt. Ein ähnliches Verhalten erwarte ich auch in Bezug auf E-Mail-Listen.

Im Display-Netzwerk ist Google dagegen weniger restriktiv und stellt eine größere Bandbreite von nutzerbezogenen Ausrichtungsmöglichkeiten zur Verfügung, darunter auch demographische Merkmale und feinere Remarketing-Zielgruppen. Ich vermute, dass Google sich hier nicht direkt in der Schusslinie sieht. So lassen sich beispielsweise öfters Nutzer darüber aus, wenn sie von Remarketing-Anzeigen verfolgt werden, allerdings wird dabei praktisch immer das werbende Unternehmen kritisiert – nie der Remarketing-Anbieter.

Fazit

Letztlich halte ich das E-Mail-Targeting für sehr vergleichbar mit dem Remarketing und erwarte dementsprechend keine nennenswerten Probleme. Für Werbetreibende dürfte die Ausrichtungsoption ähnliche Möglichkeiten bieten, wobei beide Ausrichtungen ihre eigenen Vorteile mitbringen. In AdWords erwarte ich, dass sich E-Mail-Listen genau wie Remarketing-Listen als Zielgruppen handhaben lassen.

Ob das alles ein großer Wurf ist, bezweifle ich aber. Viele Dinge, die man mit E-Mail-Adressen machen kann, kann man auch bereits über Remarketing angehen. Das E-Mail-Targeting sehe ich daher vor allem als Ergänzung, mit der sich die ein oder andere neue Möglichkeit bietet, aber nicht als große Umwälzung.

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Martin Röttgerding

Martin Röttgerding ist Head of SEA in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion und schreibt schwerpunktmäßig über Google Ads im Bloofusion-Blog und hin und wieder in seinem SEA-Profi-Blog PPC Epiphany.

Martin Röttgerding ist auf LinkedIn zu finden.

2 Kommentare zu “E-Mail-Targeting mit Google AdWords?”

  1. Avatar-Foto david

    Sehe ich anders: mit E-Mail-Retargeting kann man zB “Retourensünder” ganz ausschließen oder besonders profitable Kunden gesondert ansprechen. Beides geht nur über Emailadressen und nicht über Cookies.

  2. Avatar-Foto Martin Röttgerding

    Hallo David,

    was siehst du denn anders? Gute Ideen mit den Retourensündern und profitablen Kunden. Ich glaube, solche Ansätze sind genau der Vorteil, den eine solche Ausrichtung mit sich bringt. Die Sache ist halt, dass es keine Revolution ist, sondern eher eine Zusatzfunktion, mit der manche noch ein bisschen mehr aus AdWords rausholen können, die aber längst nicht für jeden funktioniert. Wenn man tatsächlich erst mal 1000 bei Google aktive Nutzer braucht, dann sind viele Optimierungsmöglichkeiten nur noch für die ganz großen Shops drin, während der Rest sich mit Zielgruppen wie “unser ganzer Kundenstamm” begnügen muss.

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