Google Ads berücksichtigt Bewegungsprofile

5. Juni 2019 | Von in SEA

Google weiß nicht nur, wo sich seine Nutzer aufhalten, sondern kennt auch deren Bewegungen. Eine subtile Änderung bei Google Ads macht nun davon Gebrauch.

Die Änderung ist subtil und sie kam ohne Ankündigung oder Erklärung: Die Ausrichtung einer Werbekampagne auf einen Standort schließt nun auch Nutzer ein, die sich regelmäßig dort aufhalten.

Der einzige Hinweis auf dieses neue Verhalten findet sich momentan bei den erweiterten Standortoptionen. Es sind nur zwei neue Wörter, die sich leicht übersehen lassen:

Hier wäre es natürlich sinnvoll, wenn Google weitere Details liefern würde.

Google schweigt sich aus

Schon am 15. Mai hatte Andrea Cruz auf Twitter nachgefragt, was es damit auf sich hat:

Eine Reaktion des ansonsten sehr guten Supports von Google Ads blieb allerdings aus. Auch als Search Engine Land die Sache am Freitag aufgriff, scheint es keine Hilfe von Google gegeben zu haben.

Eine kleine Reaktion gab es lediglich auf der englischen Hilfeseite, wo der neue Text eingearbeitet wurde (auf der deutschen Seite steht noch nichts). Details erfährt man dort aber auch nicht.

Immerhin erfahren wir, dass die regelmäßigen Besucher auch bei der Standardoption („Nutzer in meinen Zielregionen bzw. Nutzer, die sich dafür interessieren“) enthalten sind.

Bei den auszuschließenden Standorten werden regelmäßige Besucher hingegen auch in der Hilfe nicht erwähnt:

Wir können also davon ausgehen, dass sich hier nichts geändert hat.

Was heißt „regelmäßig“?

Da Google sich nicht äußert, bleibt offen, was nun „regelmäßig“ heißt:

  • Täglich zur Arbeitsstelle zu fahren?
  • Wöchentlich ins Kino?
  • Der monatliche Besuch bei der Verwandtschaft?
  • Jedes Jahr für drei Wochen an die Nordsee?

Ich vermute, dass Pendler ganz klar darunter fallen. Ansonsten kann ich mir gut vorstellen, dass es sich gar nicht so klar sagen lässt. Es ist gut möglich, dass Google erstmal alles als zulässig betrachtet und die Details dem System überlässt. Werbetreibende kennen das Prinzip schon.

Das Google-Prinzip: Vertrauen in die Technik

Die Ausweitung der Standortausrichtung passt in einen Trend, den Google schon lange verfolgt: Die Vorgaben an das System werden immer lockerer, sodass prinzipiell immer öfter Werbung ausgespielt werden kann.

Das heißt aber nicht, dass Google diese Freiheit voll ausreizt. Stattdessen wird dem System die Entscheidung überlassen, ob eine Anzeige im Einzelfall für den Nutzer relevant genug ist, um angezeigt zu werden.

Typischerweise kommt dann maschinelles Lernen zum Einsatz. Das klingt zwar immer toll, bedeutet aber praktisch, dass Google ausprobieren („lernen“) muss, was funktioniert. Wenn irrelevante Anzeigen ausgespielt werden, stört das natürlich den Nutzer und auch den Werbetreibenden, der ggf. für wenig relevante Klicks zahlt.

Wenig Auswirkungen für die meisten?

Dass Google diese Änderung nicht kommuniziert, ist zwar kein feiner Zug, aber vermutlich auch ein Ausdruck der beigemessenen Bedeutung. Der allergrößte Teil der Kampagnen dürfte auf ganze Länder ausgerichtet sein, wo interne Pendelei keinen Unterschied macht.

Länderübergreifend dürften oft sprachliche Grenzen im Weg stehen. Wer z. B. regelmäßig nach Frankreich pendelt und dann etwas in Deutschland auf Deutsch sucht, würde wohl kein französisches Keyword auslösen. Bei Pendlern im DACH-Raum sähe die Sache natürlich anders aus.

Abmildernd kommt hinzu, dass die meisten Kampagnen die Standardeinstellung verwenden, bei der auch der „Ort von Interesse“ berücksichtigt wird. Das bezieht sich zwar meistens auf die Suchabsicht (z. B. „werkstatt münster“), schließt aber auch bisherige Aufenthaltsorte des Nutzers mit ein (siehe Hilfeseite) – quasi die Light-Version.

Auswirkungen bei präzisen Ausrichtungen

Potenziell in Schwierigkeiten ist, wer auf eine sehr genaue Ausrichtung auf kleinere Standorte (z. B. Städte oder Stadtteile) angewiesen ist. Hier würde ich empfehlen, den Standortbericht durchzugehen (nicht den zu Nutzerstandorten):

Einträge mit Ort von Interesse sind in Ordnung, alle anderen sollten geprüft werden. Nutzerstandorte außerhalb der gewollten Zielregion deuten auf die neuen „regelmäßigen Besucher“ hin. So lässt sich das Problem abschätzen.

Bislang habe ich übrigens keinen solchen Fall gefunden, aber wir setzen auch kaum auf kleinteilige lokale Kampagnen (dynamische Anzeigenanpassungen sind flexibler und eleganter).

Wer auf Probleme stößt oder von vorneherein sicherstellen will, dass keine regelmäßigen Besucher berücksichtigt werden, kann sich mit Standortexklusionen behelfen. Die radikale Methode besteht darin, alle Standorte im Umkreis konsequent auszuschließen:

Viel Arbeit: Alle unerwünschten Standorte auf Städte- und PLZ-Ebene ausschließen

Dieses rigorose Vorgehen bedeutet aber nicht nur viel Arbeit, sondern scheitert auch, wenn der Ort von Interesse berücksichtigt werden soll (wenn also z. B. jemand aus Greven nach „restaurant emsdetten“ sucht). Dann hilft nur noch, die Kampagne zu duplizieren.

Fazit

Es ist wie bei vielen Google-Änderungen dieser Art: Theoretisch könnten die Auswirkungen groß sein, in der Praxis spürt man es aber selten. Ebenfalls typisch: Man kann sich ein bisschen zur Wehr setzen, aber der Aufwand dafür wäre enorm.

Ein allzu großzügiger Gebrauch der Freiheit, die sich Google da neu gegeben hat, könnte dazu führen, dass viele Nutzer irrelevante Ergebnisse bekämen. Schon allein deshalb rechne ich nicht damit, dass sich hier schnell viel tut – zumindest nicht in der Suche.

Abseits der klassischen Such-Werbung könnte die Änderung allerdings schon ihre Wirkung entfalten. Ich denke da vorwiegend an Display-Anzeigen, aber auch an neuere Formate wie die kürzlich angekündigten Discover-Anzeigen.

Wir werden sehen, ob sich Google noch offiziell dazu äußert. Ich vermute, dass diese Neuerung an den meisten Werbetreibenden unbemerkt vorbeigehen wird. Ob das zum Problem wird, wird sich zeigen.

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Martin Röttgerding

Martin Röttgerding ist Head of SEA in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion und schreibt schwerpunktmäßig über Google Ads im Bloofusion-Blog und hin und wieder in seinem SEA-Profi-Blog PPC Epiphany.

Martin Röttgerding ist auf LinkedIn zu finden.

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