SEO + Kannibalisierung: Gefahr oder Potenzial? [Search Camp Episode 91]
Kannibalisierung hat sich in letzter Zeit zum neuen Schreckgespenst in der SEO-Welt verwandelt. Was ist dran an dem Thema? Kann die eigene Website abgestraft oder abgewertet werden, wenn man kannibalisierende Inhalte hat? Wie geht man mit unterschiedlichen Arten der Kannibalisierung um?
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Transcript
Moin, herzlich willkommen zu Search Camp, dem Online-Marketing Podcast. Markus-Hövener hier, und zwar heute mit dem Thema Kannibalisierung. Da frisst einer den anderen auf, und genau darum geht’s heute. Also ich habe mehrere Seiten, die konkurrieren um dieselben Suchbegriffe was mache ich damit? Nix tun, Sachen sperren, Sachen zusammenführen? Da habe ich gleich 3 Fälle für euch und ein paar Lösungswege, nach der Musik.
So, los geht’s. Ja, mein Thema heute ist, wie gesagt „Kannibalisierung, vor allem natürlich in Bezug auf SEO, Gefahr oder Potenzial?“ habe ich es mal genannt. Ich habe erst mal nachgeguckt in der Wikipedia, was sagt die eigentlich zum Thema Kannibalisierung? In Bezug auf SEO kannte sie nichts, aber in Bezug auf Wirtschaft kannte sie:
„Kannibalisierung bezeichnet in der Wirtschaft die konkurrierende Vermarktung gleichartiger Produkte zu verschiedenen Preisen durch dasselbe Unternehmen. Dies kann zu einer Verdrängung des hochpreisigen Produktes durch das preiswertere führen.“
Gut, das haben wir jetzt erst mal nicht, aber übertragen auf SEO heißt Kannibalisierung einfach: Ich habe mehrere Seiten, die sind auf einen Suchbegriff optimiert, auf denselben Suchbegriff. Das kann absichtlich passiert sein, in der Regel unabsichtlich. Das heißt, ich habe mehrere Seiten, die konkurrieren um denselben Suchbegriff. Also Kannibalisierung im Sinne, dass das eine das andere auffrisst, nicht unbedingt, aber es gibt halt eine Konkurrenzsituation.
Jetzt könnte ich ja sagen, hey, stört mich einfach nicht, dann ranke ich einfach mit allen meinen Seiten für diese eine Suchanfrage. Stimmt ja so nicht ganz. Also in der Regel wird Google nur eine Seite anzeigen, oder seit dem Diversity Update ist es sowieso nach oben begrenzt, maximal 2. Das heißt, da habe ich erst mal schon eine Situation, über die ich nachdenken soll, was mich zu der nächsten Frage führt:
Ist Kannibalisierung schlimm?
Zunächst muss man ganz klar sagen, es gibt für Kannibalisierung keine Abstrafung und auch keine Abwertung, aber ich verschenke Potenzial. Ein konkretes Beispiel. Ich habe 3 Seiten A, B und C zum gleichen Thema, zum gleichen Suchbegriff. Jetzt habe ich eben gesagt, es werden maximal 2 ausgespielt in den Suchergebnissen, das heißt, eine von den Seiten ist eigentlich nutzlos, wertlos, die wird eben einfach nicht ausgespielt. Das heißt, die Zeit, die ich in die Herstellung einer dieser Seiten gesteckt habe, die ist eigentlich verschenkt. Welche der 3 Seiten ausgespielt wird, hängt natürlich immer ein bisschen davon ab, welche Laune hat Google gerade, welche Seite ist vielleicht extern besser verlinkt, welche ist intern besser verlinkt, und solche Faktoren. In der Praxis sehe ich, das ist auch nicht immer alles ganz eindeutig. Es gibt häufig so etwas, das nennt man einen Switch. Also mal wird Seite A ausgespielt, mal B, dann wieder A, vielleicht mal C. Irgendwann wird das vielleicht mal stabil, aber das dauert recht lange und auch das passiert nicht immer.
Der typischere Fall, über den man eigentlich nachdenken sollte, ist der: Man hat 3 Seiten A, B und C, und alle haben eigentlich recht wenig Inhalte, also sind relativ dünn, aber die kombinierte Seite A plus B plus C, also man führt diese 3 Seiten in einer Seite zusammen, hätte ein deutlich besseres Ranking. Und da steckt natürlich das echte Potenzial.
Man muss auch sagen, Kannibalisierung, zumindest definitionsgemäß, findet auch auf lokaler Ebene statt. Angenommen ich suche mal nach Zoohandlung. Weil ich in Emsdetten suche, sehe ich in den Suchergebnissen die Seite fressnapf.de/maerkte/fressnapf-emsdetten, jemand, der in Köln sucht, sieht eine ähnliche Seite und nicht die für Emsdetten, sondern die für Köln. Auch das ist technisch gesehen Kannibalisierung, denn alle diese Seiten sind auf Zoohandlung optimiert und je nachdem, wo ich gerade so bin, rankt halt eine andere Seite. Dagegen kann man auch nichts machen damit, dagegen will man in diesem Fall auch gar nichts machen, es ist eher ein schönes Feature, aber trotzdem auch da muss man rein theoretisch auch von Kannibalisierung sprechen.
Nächste große Frage:
Wie decke ich Kannibalisierung auf, also wie finde ich heraus, ob ich damit ein Problem habe?
Die einfachste Lösung in meinen Augen ist eine kostenpflichtige, ich nutze ein Tool wie RYTE, kennt ihr alle, gehe in das Modul „Search Success“, das verbindet sich mit der Google Search Console, holt sich die realen Suchanfragen heraus und da gibt es dann einen Report, der heißt Kannibalisierungen. Und der ist eigentlich, der ist echt schön gemacht. Der deckt mir halt diese ganzen Fälle auf, sagt mir, hier ist ein Suchbegriff und dafür habe ich so und so viele verschiedene Seiten gefunden, und sagt mir dann eben auch, wie oft die eine und wie oft die andere ausgespielt wurde.
Analog könnte ich mir diese Daten auch aus der Google Search Console ziehen in einem Report „Leistungen“. Da wähle ich einfach ein Keyword aus und werde dann sehen, dass er mir auch die dazu passenden Seiten anzeigt. Das ist natürlich so ein bisschen mühseliger, wenn ich alle Keywords nacheinander durchgehe.
Alternativ kann ich mir die ganzen Leistungsdaten auch über die API ziehen. Zum Beispiel kann ich sie mir in Excel reinholen. Es gibt zum Beispiel SEO Tools for Excel und da kann ich mir quasi die ganzen Daten einmal reinholen und kann sie dann da für mich aufbereiten. Das ist eher ein programmatischer Weg.
Nochmal, das einfachste ist mit Sicherheit RYTE oder auch ein paar andere Tools bieten ähnliche Aufbereitungen an. Was uns zur nächsten Frage führt:
Angenommen, ich habe ein Problem, wie löse ich es denn?
Also erstmal, hängt natürlich davon ab, ich stell gleich 3 Fälle vor. Aber nochmal, man muss nicht unbedingt was lösen, nochmal, es gibt keine Abstrafungen oder Abwertungen, aber Kannibalisierung ist oft ein Problem oder ist oft ein Indiz für strukturelle Probleme auf meiner Website. Deswegen muss ich ein bisschen hingucken, welchen Fall ich eigentlich habe.
Fall Nummer 1: Ich habe einen Fall von Kannibalisierung und für einen Suchbegriff ranken verschiedene, fast identische und gleichwertige Seiten. Angenommen ich habe einen Shop und ich habe 2 Kategorien, einmal die Kategorie „Herrensandalen“ und dann die Kategorie „Sale Herrensandalen“. Da muss man sagen, beide haben natürlich erstmal ein Anrecht auf den Suchbegriff Herrensandalen zu ranken. Und beide sind eigentlich auch wie gesagt fast identisch und gleichwertig, beide wären eigentlich ein gutes Ziel für den Nutzer. Die klassische Lösung, die man hier wählen sollte, ist einfach ein Canonical Tag. Das heißt, was passiert dann? Die beiden Seiten oder die 3 oder 4 Seiten werden zusammengezogen, die Signale werden addiert. Dann sollte ich mir natürlich vorher Gedanken machen, wo sollte der Nutzer eigentlich am besten landen, also welche URL wähle ich als Canonical Tag aus? Ich kann natürlich auch den Weg gehen an diesem Punkt, wenn ich diesen Fall habe, dass ich die verschiedenen Seiten auf sehr verschiedene Suchbegriffe optimiere. Also die eine auf Sandalen, die andere auf Sandaletten oder sowas. Das geht nicht immer und dann wie gesagt, ist das Canonical Tag häufig eine gute Lösung.
2. Fall: Ich habe X Seiten, die kannibalisieren sich und von denen ist eigentlich nur eine aktuell. Also angenommen ich bin jedes Jahr auf der Hannover Messe und schreibe jedes Jahr ein Recap, dann gibt’s eben für jedes Jahr eine eigene Seite. Die von 2013 ist aber für meisten eigentlich nicht mehr spannend, also die meisten, die danach suchen werden, wollen vielleicht die 2019er Seite. Es wird aber die 2013er ausgespielt, weil sie vielleicht alt ist, weil sie viele Links eingesammelt hat oder weil es andere Signale gibt. Und das ist eben wirklich so ein klassischer Fall, wo man sagt, hier habe ich wirklich ein Problem, das strukturelle Art ist. Was könnte ich machen? Lösung Nummer 1 wäre hier, eine „One URL“-Strategie zu fahren. Das heißt, wenn ich meinen 2019er Recap schreibe, dann passiert das unter der gleichen URL wie es das 2018er bis das 2013er gab. Es ersetzt also quasi jeweils den Inhalt aus dem letzten Jahr. Das ist wirklich dann gut, wenn ältere Inhalte auch keinen Mehrwert mehr haben. 2. Lösung, die ich dann fahren kann, ist, dass sich die alten einfach auf noindex setze oder per Robots.txt sperre. Kann man machen, hat aber in der Regel den Nachteil, dass falls diese Seiten, die älteren Beiträge verlinkt sind, gehen auch die Links flöten. Das heißt, typischerweise ist das eigentlich keine gute Idee. Die 3. Lösung wäre, ich nehme einfach die URL aus dem letzten Jahr und leite sie per 301 auf die von diesem Jahr um, sodass ich durch die ganzen Umleitungen dann trotzdem zum Beispiel wieder alle externen Backlinks auf der jeweils aktuellen Version bündele. Und dann gibt es noch den 3. Fall.
Der 3. Fall ist eigentlich, finde ich, der häufigste und auch der der interessanteste nämlich, ich habe verschiedene Seiten, die sich kannibalisieren und diese Seiten sind aber komplementär oder disjunkt. Das heißt, das Zusammenlegen dieser Inhalte auf einer einzigen Seite ist sinnvoll. Und das ist ein Fall, den man gerade bei Content Audits gar nicht so selten findet. Man hat viele verschiedene kleine Beiträge und könnte da eigentlich besser einen großen Monster-Beitrag draus machen. Sollte man auch machen, das heißt, hier würde man hingehen, alles zusammenlegen, natürlich nicht auf einen komplett neuen Seite, sondern am besten auf der Seite, die bisher am besten performt hat, und die anderen URLs, die anderen, Dubletten sind es ja nicht, aber die anderen Seiten würde man dann per 301 auf diese neue URL umleiten. So habe ich wirklich dann das Maximum rausgeholt, habe quasi die strukturellen Probleme, die meine Website hat, beseitigt.
So, relativ kurze Folge heute. Das war das, was mir zum Thema Kannibalisierung einfällt. Ich habe das Thema eben auch gewählt, weil es relativ oft auch in Seminaren zur Sprache kommt, weil viele davor Angst haben. Ich hoffe, ich kann euch diese Angst ein bisschen nehmen. Wie gesagt, selbst wenn ihr nichts macht, ist das nicht unbedingt immer die schlimmste Option, euch droht kein Ungemach, aber trotzdem, Kannibalisierung ist typischerweise einfach ein hervorragender Anlass, euch mit den strukturellen Problemen eurer Website zu beschäftigen. Das war’s für heute. Schaltet auch bitte beim nächsten Mal wieder ein. Viel Erfolg und bis bald! Tschö!
Markus Hövener
Markus Hövener ist Gründer und SEO Advocate der auf SEO und SEA spezialisierten Online-Marketing-Agentur Bloofusion. Als geschäftsführender Gesellschafter von Bloofusion Germany ist er verantwortlich für alle Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Markus Hövener ist Buchautor, Podcaster und Autor vieler Artikel und Studien rund um SEO.
Markus hat vier Kinder, spielt in seiner Freizeit gerne Klavier (vor allem Jazz) und genießt das Leben.
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