Search Camp Episode 48: Corporate Storytelling – Das Must-Do für alle Unternehmen?

17. April 2018 | Von in Podcast "Search Camp"

Das Erzählen von Geschichten – neudeutsch Storytelling – ist sicherlich ein großer Trend der letzten Jahre – auch und vor allem in der Unternehmenskommunikation. Mit dem Thema Corporate Storytelling müssen sich Unternehmen also auseinandersetzen. Aber woher kommt der passende Erzählstoff? Und was muss sich in Unternehmen strukturell ändern, damit es mit den Geschichten auch gut funktioniert? Rede und Antwort steht hier Petra Sammer, Expertin für Corporate Storytelling.

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Shownotes:

Das Buch von Petra Sammer: Storytelling: Strategien und Best Practices für PR und Marketing

 

Transcript:

Markus Hövener: Moin! Herzlich willkommen zu Search Camp, dem Online-Marketing Podcast. Mein Name ist Markus Hövener und mein Thema heute heißt „Corporate Storytelling“. Ich habe mir dafür einen spannenden Interview-Gast gesucht, nämlich die Petra Sammer. Und mit ihr klären wir heute Fragen wie: Woher kommt eigentlich dieser passende Erzählstoff für Unternehmen? Was muss sich in Unternehmen ändern? Und vor allem die nicht ganz so einfach zu beantwortende Frage: Können eigentlich alle Unternehmen zu Verlegern, zu Publishern werden? Da habe ich so meine Zweifel. Aber das klären wir gleich und in ein paar Sekunden geht’s auch schon los. Bis gleich!

So und da sind wir wie versprochen mit dem Thema Corporate Storytelling. Ich habe so ein Gefühl, es wird heute so ein bisschen anglizistisch, weil ich habe zumindest so ein paar Stichworte hier aufgeschrieben, die jetzt dem deutschen Sprachraum nicht unbedingt entstammen. Also Thema Storytelling und ich habe eine Koryphäe in der Leitung, die Petra Sammer. Ich habe ihr Buch gelesen, das heißt „Storytelling – Strategien und Best Practices für PR und Marketing“. Aus dem sehr geschätzten O‘Reilly Verlag. Petra, ich nehme irgendwie an, dass meine typischen Zuhörer, nämlich die ganzen Performance Marketer, die SEOs und SEAs dich vielleicht jetzt nicht unbedingt kennen. Deswegen stelle dich doch bitte mal vor.

Petra Sammer: Dankeschön, danke, dass ich überhaupt dabei sein darf und für viel Vorschusslorbeeren, dass ich gleich eine Koryphäe bin. Mein Name ist Petra Sammer, das, das hast du ja schön erwähnt. Ich habe 25 Jahre Kommunikationsberatung hinter mir in der Agentur. Bin ich jetzt frisch Freelancerin, lerne jetzt auch gerade, wie man das macht und da seine eigene Geschichte erzählt. Habe in dieser Zeit Kommunikation aus allen Ecken kennengelernt und würde mal so sagen, 6, 7, 8 Jahre kommt dieser Fachterminus Storytelling aus USA stark zu uns. Ich habe ursprünglich Filmphilologie gelernt oder studiert zum Schock meiner Eltern, die da sehr wohl wussten, Filmphilologen interpretieren Filme, sie machen sie nicht. Das heißt beim Film gibt es schon nicht so viel Jobs, aber Filmkritiker gibt es noch viel weniger. Waren aber ganz froh, dass ich in einer PR-Agentur angefangen habe. Da habe ich das ganze Wissen aber mal weggepackt und als die Amis dann aber mit dem Begriff Storytelling mehr und mehr kamen, habe ich das wieder zurückgeholt und versucht und das kann man in dem Buch nachlesen, was können Unternehmen denn lernen von Hollywood? Was können wir von diesen eigentlich großen Storytellern, die also Filmdrehbücher schreiben oder auch Romane schreiben, im Marketing oder in der Online- und auch in der Offline-Kommunikation oder auch in der Präsentation übernehmen? Da muss es doch was geben, was wir im Marketing auch nutzen können.

Markus Hövener: Jetzt habe ich schon ein bisschen was von dir über dich gelesen vorab. PR ist das große Stichwort. Du hast es eben so umschrieben mit Kommunikation. Du hast 25 Jahre PR gemacht. Ist PR heute tot oder ist das Storytelling jetzt einfach nur so für dich was Neues, was Spannendes?

Petra Sammer: Nein, ganz und gar nicht. PR ist nicht tot, verändert sich aber massiv. Der Ursprung der PR kommt aus dem Journalismus und Journalisten benutzen das Wort Story auch. Zwar ein bisschen anders, ein Journalist versteht darunter erst mal eine Nachricht, was Berichtenswertes, auch was Neues oder was Skandalöse und glaube, das ist schon ein bisschen auch die Historie der PR, was Neues berichten. Auch ich bin mal angetreten im Job, ich will informieren, was es in Unternehmen Neues gibt. Also Unternehmensveränderungen, neuer CEO, neue Fabrik, aber auch das Gegenteil leider, wenn man eine zumacht, und neue Produkte, neue Services. Die Agentur, in der ich mal angefangen habe, die hat zum Beispiel die Kiwi in Deutschland eingeführt. Also wirklich, ist so zu Food-Journalisten, hat gesagt, so, dieses kleine pelzige braune Ding kann man essen. Achtung, nicht die Schale essen, aufmachen, erklären. Wann haben wir aber heute noch die Gelegenheit so neue, wirklich neue Produkte zu erklären und sachlich zu informieren? Selbst sowas wie ein iPhone, ja klar, spektakulär, auch iPhone vielleicht 10, aber letztendlich bleibt es ein Smartphone und so viel Neues zu erklären gibt‘s da nicht. Die Zeiten, wo wir wirklich ausführlich Produkte erklären mussten, sind vorbei und da braucht es neue Techniken, neue Verpackungen. So ist die Story eine neue Verpackung, so sehe ich es. Auch unter dem Stichwort Content-Marketing. Wir verkaufen jetzt eben nicht mehr über nur die Produktbeschreibung, wo das Produkt im Zentrum steht, sondern wir verkaufen oder wir wecken Aufmerksamkeit über Inhalte. Storys können einer diese Inhalte sein.

Markus Hövener: Dann lass uns mal einsteigen. Wir hatten das Thema Storytelling schon mal in Episode 36, damals mit dem, damals klingt so ewig her, mit dem Thomas Pyczak. Wir wollen heute aber noch spezieller das Thema Corporate Storytelling angehen und da zwei große Blöcke aus deinem Buch habe ich herausgesucht. Einmal Themenfindung und dann die Storytelling Corporation. Lass uns mal mit Themenfindung anfangen, weil viele fragen sich natürlich, okay, Storytelling will ich jetzt machen, woher kommt der passende Erzählstoff? In deinem Buch habe ich gelesen, dass klaue ich jetzt von dir: Welche Geschichten eignen sich um die identitäts- und sinnstiftende Wirkung von Storytelling zu nutzen? Auf den Satz wäre ich nie gekommen. Danke dafür.

Petra Sammer: Habe ich geschrieben?

Markus Hövener: Ja, das hast du geschrieben. Du solltest dein Buch öfters selber lesen. Ich habe so oder du nennst insgesamt 4 Arten von Erzählstoff, die typischerweise in so einem Unternehmen vorkommen können. Die würde ich einmal mit dir durchgehen.

Petra Sammer: Man kann auf der Suche nach der Geschichte nach einer Geschichte nach innen gucken. Das glaube ich, machen die meisten. Was, ich sage gleich vorweg, gar nicht so einfach auch ist für Unternehmen selber, weil sie kennen sich oft zu gut. Sie sehen vielleicht die Geschichten gar nicht im Unternehmen. Und man kann nach außen gucken. Diese 4 verschiedenen Arten Geschichten zu finden, die lassen sich in, 2 gucken nach innen, 2 gucken nach außen, auch noch unterscheiden.

Markus Hövener: Dann fangen wir an mit Numero 1: Gründungsmythen oder auf Neudeutsch Brand History. Das Beispiel, was du bringst oder was auch viele von uns kennen, ist Hewlett-Packard, der das Unternehmen in der Garage gegründet hat. Jetzt hat nicht jeder so eine Garage. Was sind so typische Gründungsmythen?

Petra Sammer: Erstmal ist der Klassiker und Storytelling, wir benutzen diesen englischen Ausdruck, weil es viel besser ist wie Geschichten erzählen und Geschichten klingt so ein bisschen nach Märchen, nach Prinzessin und so. Aber da steckt Geschichte drin und es ist klar, das ist die Geschichte eines Unternehmens. Ein Klassiker ist eben auf den Gründer zu gucken und oft sind es auch Persönlichkeiten. Wir haben jetzt gerade ganz viel Jubiläen. 100 Jahre BMW, 150 Jahre, die Gründerzeit, die jubiliert sich jetzt gerade. Das waren tolle Gründer und dahin zurückzugucken lohnt sich und deren Credos rauszuholen und sich an die nochmal dranzuhängen oder an sie zu erinnern. Viele Unternehmen haben allerdings ein bisschen ein Problem so zurückzublicken. Das höre ich sehr oft gerade bei Jubiläums-Kommunikation „wir wollen aber auf gar keinen Fall Tradition und wir wollen nicht so altbacken erscheinen“. Ich verstehe diese Zweifel, auf der anderen Seite merkt man aber, Menschen sehnen sich und auch junge sehnen sich nach Historie, Anekdoten aus der was auch immer alten Zeit. Ich kann nur raten, schon in den Schatz zurückzugucken, was diese Gründer ausmacht. Auch ganz ehrlich, diese ganzen Startup-Storys von den ganz großen, von den Googles und Zuckerberg bei Facebook sowieso, auch das sind alles Gründermythen, die die halt jetzt schon zu Lebzeiten belegen. Ich meine Elon Musk, aber auch ganz kleine Startups hier auch oder auch in Deutschland die MyMuesli-Gründer, in jedem Unternehmen gerade jetzt stecken tolle Persönlichkeiten und deren Geschichte zu erzählen ist oft lohnenswert. Wenn man das aber nicht will, gibt’s eine zweite, eine andere Methode, komme ich zu dem zweiten, das ist sicher sowas wie ein Unternehmensporträt über eine Corporate oder Brand Identity. Für mich ist immer ein schönes Beispiel BMW, das ist eine super komplizierte Gründungshistorie. Zigmal verändert, die sind auch glaube ich in Leipzig gegründet und dieses Logo ist ein Flugzeugrotor, die kommen aus dem Flugzeugmotorenbau. Auf das will man jetzt alles gar nicht mehr so zurückblicken. Dann standen sie mal kurz auch so ein bisschen vor einer Übernahme durch ein anderes Unternehmen und die Familie, die da eingestiegen ist. Diese Familie und auch, wo die Aktien jetzt im Familienbesitz sind, die wollen auch gar nicht so nach vorne treten. Wenn man also keine Menschen hat oder die auch nicht feiern will, dann greift man am besten auf die Markenwerte zurück oder auf die Unternehmenswerte, aufs Leitbild oder auf so eine Mission oder Vision. Wer sich da zum Beispiel jetzt BMW anschaut, gerade bei der Marke BMW, alles, was die erzählen, hat immer was mit Freude am Fahren zu tun. Alle Geschichten, die die präsentieren, kommen aus diesem Urkern der Geschichte. Oder auch Harley ist auch ein wunderschönes Beispiel. Da geht es immer um das Thema Freiheit und Unabhängigkeit. Alle Geschichten, die sie erzählen, basieren auf diesem Markenkern. Das finde ich ganz entscheidend beim Storytelling. Viele machen das ja jetzt so, weil man es jetzt macht oder weil sie jetzt das vielleicht auch ein bisschen anlehnen an so Instagram-Stories, was ich ein bisschen gefährlich finde, weil diese die Instagrams und auch Facebook, die nennen das Story, wenn da ein paar Bildchen logisch aneinanderhängen. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, eigentlich ist es keine Story, es ist halt eine Logik, eine Struktur. Wenn wir jetzt hier von Storytelling sprechen, dann sprechen wir von großen Narrativen nennt man das ja. Wenn man das machen will, dann braucht man einen Grund etwas zu erzählen. Der findet sich vielleicht beim Gründer, er findet sich aber auch in den eigenen Markenwerten.

Markus Hövener: Ich muss gar nicht viel moderieren bei dir, vielen Dank auch. Den zweiten hast du …

Petra Sammer: Willst du mehr zu Wort kommen?

Markus Hövener: Nein, ist okay, ist ja dein Tag hier heute. Alle gut. Der 3. Erzählstoff wäre dann das, was du Brand Success nennst oder Kundenbeispiele, wo du einen Hauptdarsteller hast, wo du einen Helden hast, ein zu lösendes Problem, also eigentlich ideal. Du sagst aber auch in deinem Buch, die meisten Geschichten sind zwar solide erzählt, sind aber eigentlich keine wirklichen Storys. Was läuft da schief oder was braucht man?

Petra Sammer: Diese 3. Art, die ist jetzt nicht mehr nach innen gucken, sondern nach außen gucken. Was machen Kunden mit meinem Produkt oder mit meinem Service? Um eine Litanei, ein Kundenbeispiel zu erzählen und viel, gerade im B2B-Bereich gibt es diese Kunden Cases oder Fallbeispiele, die Vertriebler auch sehr gerne nehmen. Sie sind in der Regel gute Darstellungen, aber oft keine spannenden Storys. Da will ich jetzt erstmal, ich will keinen Vorwurf machen, vielleicht sollen sie das aber auch gar nicht sein. Aber wenn man wirklich Storytelling betreiben will, muss man glaube ich etwas tun, was man im Marketing oder im Verkauf, auch im Vertrieb gar nicht gewohnt ist, sondern man muss über Probleme und Konflikte sprechen. Wenn wir Marketing oder auch PR machen, da machen wir genau das Gegenteil. Wir erzählen Lösungen, das ist unser Job. Das ist immer schön dieser Vergleich, wenn wir ins Kino gehen, wird es für den Helden immer schwieriger und schwieriger, 100 Minuten Probleme, das steigert sich ja. Man überlegt dann im Kopf, uh, wie wird denn das ausgehen? Man überlegt sich vielleicht selber eine kleine gute Lösung. Ein wirklich guter Film endet in den letzten Minuten mit einer überraschenden Lösung. Wir gehen aber nicht ins Kino und schauen uns 100 Minuten Lösung an. Das ist aber eine Pressemitteilung oder das ist oft auch so ein Kunden Case. Da wird nur ganz kurz eingegangen drauf, Kunde XY, man ist sehr stolz, dass man vielleicht auch einen echten Kunden, eine Referenz nennen darf, hat sich da auch ziemlich viel Mühe gegeben, geht aber dann recht schnell finde ich über die Probleme dieses Kunden hinweg, um möglichst viel Platz für die Lösung zu haben. Das ist auch eine Art Unternehmen- oder Produktpräsentation, aber das ist keine Story. Eine Story wäre wirklich dem Problem des Kunden ausführlich einen Raum zu geben und zwar nicht nur auch zu schreiben oder zu präsentieren, was für vielleicht nur wirtschaftliche Probleme er hat, vielleicht sogar auch, ob er damit menschliche Probleme hat, ob es im Team nicht mehr stimmt, ob Arbeitsplätze in Gefahr sind, ob derjenige, der diese Lösung braucht, persönlich unter psychischem Stress ist, weil er gerade etwas nicht managen kann, wo wir auch auf eine emotionale Reise mitgenommen werden, in was der Kunde steckt. Dann erst, um zum Schluss zu dieser Lösung zu kommen, sie gar nicht so sehr auszubreiten, sondern eher da, diese ganze Story zu nutzen, um Lust und Laune zu machen, um mehr zu erfahren. Dann klicke ich vielleicht in der Webseite weiter zum Fact Sheet und da nehme ich den Kunden auf diese berühmte Customer Journey mit und jetzt komme ich dann zu den Produkt-Spezifika. Das ist Storytelling und es ist ein Unterschied zu vielen Kundenbeispielen, wo es einfach recht schnell einfach nur eine Lösungsdarstellung ist.

Markus Hövener: Lass uns noch zu dem 4. von 4 kommen, das sind die sogenannten Insight Stories oder Brand Benefit. Als Beispiel nennst du zum Beispiel Dove, das kennen wir glaube ich fast alle. Was braucht eine gute Insight Story?

Petra Sammer: Das ist natürlich ganz einfach. Es braucht ein Insight. Ich finde es ist aber kein Zufall, dass so Unilever oder P&G, also diese großen Fast Moving Good Produzenten, wie man sie so schön nennt, sie haben einfach so zum Teil sehr banale Produkte wie Waschmittel oder Shampoo. Es ist kein Zufall, dass gerade die sehr auf diese Insights setzen, weil auch da ist der Produktunterschied minimal. Gillette zum Beispiel, ich weiß nicht wie viele Rasierklingen da jetzt schon drin verarbeitet sind, also dritte und vierte und fünfte und dann ist das Aftershave noch mit drin. Es ist ohnehin krass, wie viel Innovation in so ein bisschen Rasierer schon reingeflossen ist. Aber irgendwann ist so ein Produkt auch mal am Limit, was es an Neuigkeiten gibt.

Markus Hövener: Das sollte man denken. Ja.

Petra Sammer: Auch im Waschmittelbereich, ich meine auch jetzt, klar, jetzt gibt es diese Tabs oder diese Pads, die für Kinder nicht so ungefährlich sind. Aber auch das ist wieder eine Innovation. Sie denken sich zwar immer wieder was aus, aber kommunikativ kommt es schon an eine Grenze sich wirklich zu unterscheiden. Deswegen greifen gerade solche Unternehmen gerne auf Insights zurück und erzählen darüber eine Geschichte. Die Herausforderung dabei ist es, ein Insight könnte eigentlich jeder erzählen. Bei Dove dieses Real Beauty, aber die Schönheit kommt von innen, das könnte jede Kosmetikfirma erzählen, aber sie haben es halt gemacht. P&G, diese große Olympia-Kampagne, Thank You Mom heißt die, das Insight, das dahintersteht, hinter jedem Athleten steckt eine starke Mutter. Das klingt erstmal banal. Das ist auch die Schwierigkeit bei Insights. In so einem Brainstorming, wenn das jemand in einem Raum nennt, kommen diese Sätze oft recht banal daher. Wenn sie aber ausgesprochen sind, eröffnet sich plötzlich ein komplettes Story-Universum, dass man sagt, wie viele Geschichten könnten wir da drüber erzählen nur über die Mütter der Athleten. Das haben die auch gemacht. So einen Insight zu finden, ist eine Kunst. Es gibt ja einen richtigen Beruf, Planner machen sowas. Die finden aus den Marktforschungsdaten solche Insights. Um das zu erläutern, was genau das, ist immer auch ein schönes Beispiel: Wenn man einem Fisch erzählen würde, dass er in Wasser schwimmt und er plötzlich erkennt, um ihn herum ist Wasser, dann ist das ein Insight für den Fisch. Oft sagt man uns, man sagt auch, Insights, die Amerikaner haben da auch einen schönen Begriff, so Human Truth, so eine menschliche Wahrheit. Wir erfahren etwas über uns als Menschen, eigentlich, was wir schon kennen, aber uns in dem Moment vielleicht nicht bewusst ist und wir schauen dann da drauf und sagen, ja, das stimmt eigentlich. Wer so ein Thema besetzen kann, kann tolle Geschichten erzählen. Das ist insofern auch nochmal ein bisschen eine ganz andere Art des Marketings, weil man eigentlich beim Marketing immer sagt, brauchst einen USP, musst dich komplett unterscheiden von deinen Kunden. In dem Fall ist es kein USP, sondern sich auf was drauf, auf so eine Wahrheit draufsetzen und sie mit Geschichten wieder bekannt zu machen oder auch zu visualisieren. Auch eine schöne Kampagne, war es letztes oder vorletztes Jahr? „Like a Girl“, ist glaube ich auch von P&G, wo man kleine Mädchen gefragt hat „Renn mal wie ein Mädchen“ und die Kinder, die Mädels, die flitzen los, rasen oder „werfe mal wie ein Mädchen“ und die werfen den Ball. Dann fragt man so 15, so 14, 15-Jährige, lauf mal wie ein Mädchen und dann plötzlich laufen die so spleenig, so girly like. Oder werfe mal wie ein Mädchen und dann verrenken sich die da und machen so Chichi. Da passiert plötzlich was, die übernehmen ein Klischee und genau diesen Insight, wie wir mit dem Begriff „wie ein Mädchen“ umgehen, den haben die da schön aufgedeckt und uns dieses Klischee schön gezeigt und natürlich eine Kampagne dagegen dann entwickelt. Sodass die Bedeutung von „wie ein Mädchen“ genauso stark „wie ein Junge“ heißen kann, war schön entwickelt. Das sind Insight Stories, das ist schon eine Königsdisziplin.

Markus Hövener: Dann lass uns mal zum Thema Storytelling Corporation übergehen. Ist eher so ein Wunsch oder ein Leitbild, wenn man so möchte. Du hast als Beispiel zum Beispiel Red Bull genannt. Ist ein Riesenladen. Deine These ist, so Unternehmen werden eigentlich zu Publishern, Marken werden zu Medien, werden zu eigenständigen Verlegern und Herausgebern. Red Bull hätte ich damit jetzt auch in Verbindung gebracht, aber ich habe auch viele Kunden, ich sag mal so hundert Mitarbeiter, Mittelständler, die sehe ich da noch gar nicht. Können die das oder ist das einfach, kann ich das als kleines Unternehmen nicht hinbekommen?

Petra Sammer: Absolut, gebe ich zu, das Beispiel Red Bull ist eigentlich gemein, weil man braucht so einen verrückten Geschäftsführer, der so viel Mut hat und sagt „so, wir machen jetzt einen Fernsehsender, wir machen jetzt 3 Magazine und wir machen Events, wir werden zum Medienunternehmen“. Wobei interessanterweise das sehr viele machen, Siemens macht das. Wenn man sich auch mal anschaut, wie die Automotive, BMW hat auch ein Magazin, hat eine Website, die hat wahrscheinlich mehr Klicks als das Handelsblatt am Tag. Die Telekom macht es, also die großen, Microsoft hat eine Website, die heißt Microsoft Storys oder Story Labs. Die ganz großen Marken haben alle jetzt sich auf diesen Weg begeben und verstehen sich selber auch als Publisher. Da ist auch nochmal ein Unterschied zwischen Publisher und Sender. Das Sender-Empfänger-Modell, das kennen vielleicht noch die älteren Herrschaften unter den Hörern jetzt hier, das angeblich tot ist, aber irgendwo senden wir als Unternehmen ja doch noch. Aber Publisher ist nochmal was anderes, weil als Publisher gehe ich nämlich ein Versprechen ein, regelmäßig zu senden, also jeden Montag. Das ist auch, wenn ich einen YouTube-Kanal aufmache, hallo, es ist ein Kanal, es ist ein Fernsehkanal. Da kannst du nicht mal, heute kommt was und nächste Woche kommt dann nichts. Ich lehne nicht das Publizieren dann am Marketingplan an und da kommt halt dann vielleicht mal ein halbes Jahr kein neues Produkt, also gibts auch keine News. Das geht dann nicht mehr. Dann muss ich mir Geschichten suchen, die auch ohne neues Produkt funktionieren. Das machen aber viel mehr Unternehmen. Aber absolut, es ist ein Thema von Budget auch und wieviel man da auch ins Marketing und in die Kommunikation reinsteckt. Doch aber auch kleine Mittelständler und auch kleine Unternehmen müssen glaube ich zumindest ein Stück weit in die Haltung kommen, dass sie, wenn sie in Social Media auf jeden Fall mitmischen wollen, wenn sie einen Facebook-Kanal haben, Instagram, wenn sie auf LinkedIn, wenn sie auf XING aktiv sind, dass sie im Wettbewerb stehen zu allen anderen Nachrichten, zu allen anderen Informationen und eben nicht nur im Wettbewerb zu ihrem direkten Wettbewerber. Eine kleine Druckerei ist im Wettbewerb zu einer anderen Druckerei, ja. Aber im Netz und in diesem Medienumfeld bin ich im Wettbewerb zu allen, die überhaupt kommunizieren. Ich bin ein Klick weg, mein YouTube-Video wird schnell weggeklickt, wenn ich eines habe. Aber ich bin zumindest sagen wir im Wettbewerb zu allen, die rund um das Thema eben nicht nur drucken, wenn wir jetzt bei der Druckerei bleiben, Druckprodukte, sondern eigentlich im Wettbewerb zu allen, die was mit Medien irgendwie machen. Dieses Verständnis ist schon wichtig für auch kleinere Unternehmen überhaupt ein Themenspektrum größer aufzumachen und sich stärker an der inhaltlichen Relevanz beim Kunden, beim Publikum, so finde ich den Begriff dann mal ganz schön, weil der anders als wie Zielgruppe beim Publikum zu wecken und damit einhergeht eben dann nicht mehr nur faktisches Informieren, sondern auch unterhalten. Auch ich, ich habe mal, ich wollte Filmkritiker werden und dann wollte ich, dann wollte ich zumindest Journalist werden, dann bin ich in der PR gelandet. Aber ich bin angetreten, auch als Journalist trittst du an zu informieren, sachlich zu informieren und nicht zu unterhalten, nicht zu Tränen zu rühren, nicht zum Lachen anzuregen. Aber das gehört mittlerweile zu unserem Job dazu, weil wir sonst diese Aufmerksamkeit gar nicht mehr generieren. Es gibt so ein paar technische Hilfsmittel, SEO und viele andere Tricks und es wird immer wichtiger, dass diese Geschichten oder die Informationen, die man hat und Geschichten eignen sich sehr gut, relevant sind, ob sie inhaltlich relevant sind oder emotional relevant. Beide Spielmöglichkeiten hat man und das Verständnis allein, das finde ich, ist auch wichtig für kleine Unternehmen. Da müssen sie jetzt noch gar nicht selber ein Magazin herausgeben oder einen ganzen Fernsehkanal aufmachen.

Markus Hövener: Du schreibst ja auch. Um zu so einer Storytelling Corporation zu werden, müssen Unternehmen sich auch reorganisieren. Auch hier zitiere ich nochmal aus deinem Buch. Ich hoffe, das ist dir bekannt. Gebündelte Kraft aller Kommunikationsmittel und Instrumente, unabhängig von Kommunikationsdisziplin und Verantwortlichkeiten. Klingt für mich irgendwie nach Stühlerücken oder? Kriege ich das ohne Widerstände hin oder wie läuft das?

Petra Sammer: Ja, es ist schon eine große Wunschformel, ist mir schon auch klar. Aber es wäre eine verschenkte Chance, wenn man eine gute Story hat und mit ihr dann eben nur eine Pressemitteilung macht. Eine gute Geschichte, die muss so tragfähig sein, dass sie ich daraus einen Facebook-Post machen kann, ich habe ein Blogeintrag, ich kann damit ein Vox Pop, so ein kleines Statement, ein Video-Statement machen. Ich kann damit einen Film machen. Ich kann damit ein Mitarbeiter-Magazin machen, einen Newsletter. Idealerweise oder der Anspruch an eine gute Geschichte muss sein, dass ich aus ihr heraus alle Kanäle bedienen kann. Da müssen sich zumindest die Kollegen alle mal zusammensetzen. Es versuche viele große Unternehmen sich jetzt gerade in neuen Formaten und auch Konstellationen, schauen sich an wie auch Nachrichtensendungen oder Zeitungen arbeiten, so News Desk Strukturen. Alle sitzen zusammen, machen Redaktionskonferenzen. Das geht alles in die Richtung, dass es so ein übergreifendes Arbeiten ist und dass die Geschichte im Mittelpunkt eigentlich steht und nicht jeder so für sich auf seinem Kanal sitzt. Es ist insofern glaube ich schwierig, weil wir über die letzten Jahre jetzt erstmal mühsam in Unternehmen uns sowas wie ein eigenes Team für Online-Kommunikation erkämpft haben. Da saß lange die PR auch auf sowas, wir machen auch die Webseite und wir machen auch so ein bisschen Social Media. Jetzt haben wir Community-Manager, wir haben jetzt Online-Kollegen, wir haben jetzt ganze Teams, die eine Website bestücken, wir haben interne Kommunikation. Also mühevoll über die letzten Jahre wurden diese neuen Teams aufgebaut. Mir ist schon klar, dass es natürlich jetzt ein bisschen irre klingt und jetzt schmeißen wir die alle wieder zusammen. So ist es natürlich auch nicht gemeint. Jeder soll schon seine Kompetenz und auch seine Kanalhoheit bewahren, weil er kennt dann seinen Bereich. Aber nicht jeder soll halt im Grunde seine eigene Geschichte oder in seinem eigenen Team arbeiten, sondern die Kraft einer guten Geschichte und das nennt man dann auch so Story Universum, das entsteht, wenn jeder Kanal das aus der Story nutzt, was für ihn passig ist. Ganz anschaulich und für mich immer noch ein Paradestück ist diese Siemens Answers Kampagne, die sie vor Jahren gemacht haben. Da gab es ein Video auf YouTube, konnte man sehen wie das Making of war. Auf Twitter wurden Infografiken gespielt, die das fachliche Thema, das in dem Video, das Produkt, das in dem Video gespielt wurde, konnte man auf Twitter via Infografiken sich anschauen. In der Pressemitteilung wurde man informiert, wer hinter dieser Story steckt. Man konnte zum Teil auch chatten mit den Regisseuren. Jeder Kanal hat nicht die Story kopiert und nochmal eins zu eins widergespiegelt, sondern jeder Kanal hat es für sich besonders wiederaufbereitet. Das nennt man ja so transmediales Storytelling, also verschiedene Formate, aber auch immer verschiedene Perspektiven auf eine Geschichte. Um das zu tun, braucht es schon neue Teams.

Markus Hövener: Ich habe hier noch ein Stichwort, den Chief Storyteller. Vielleicht mit der Bitte um eine kurze Antwort. Wo finde ich den im Unternehmen, wo setze ich den hin, wo kommt der her?

Petra Sammer: Man kann sich anschauen, bei SAP, wo er sitzt, die haben einen. Er ist meistens glaube ich ein Journalist, es ist jemand, der weiß wie man, wo man Storys gut findet, also er kann gut recherchieren und kann sich intern auch noch so einen Außenblick bewahren, obwohl er intern sitzt. Er ist derjenige, der diesen Storys hilft ein Weg in all diese unterschiedlichen Kanäle und in diese Teams zu finden. Er orchestriert quasi das Team, ob man ihn jetzt so nennt, kann man sich selber überlassen. Ich finde es schon einen schönen Namen.

Markus Hövener: Ja, also auf einer Visitenkarte, macht was er. Wir sind fast am Ende. Ich würde dir gerne noch Zeit für einen kurzen Werbeblock geben. Für alle, die jetzt wirklich heiß sind auf das Thema Storytelling, kann man dich mal irgendwie live sehen, machst du Seminare, Workshops?

Petra Sammer: Ja, das mache ich. Man kann mit mir Workshops machen. Man kann mich aber auch live sehen auf einer Veranstaltung im April, auch im Herbst habe ich nochmal eine. Im April bin ich auf jeden Fall auf der Plot 18, dort kommen Storyteller zusammen aus dem Bereich Marketing und Film. Ich finde, da muss man immer noch mehr voneinander lernen, kann ich gerne einladen. Wer da dazukommen möchte, macht viel Spaß. Ansonsten kann man gerne mit mir Workshops und Trainings zum Thema Storytelling oder auch visuelles Storytelling machen oder ich mache auch gerne mal eine Keynote.

Markus Hövener: Ja, schön. Dann sag ich dir erstmal vielen Dank. Für alle da draußen, die noch ein bisschen mehr lesen wollen, ich habe hier das Buch gerade nochmal rausgeholt „Storytelling“. Ich packe den Link natürlich in die Shownotes. Sind, lass mich nicht lügen, so 270, 280 Seiten pralle Information. Kann ich nur jedem ans Herz legen, der da noch mehr Storytelling-Power braucht. Ansonsten nochmal danke für deine Zeit.

Petra Sammer: Dankeschön!

Markus Hövener: Danke für eure Zeit da draußen, fürs Zuhören und bis bald! Ciao!

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Markus Hövener

Markus Hövener ist Gründer und SEO Advocate der auf SEO und SEA spezialisierten Online-Marketing-Agentur Bloofusion. Als geschäftsführender Gesellschafter von Bloofusion Germany ist er verantwortlich für alle Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Markus Hövener ist Buchautor, Podcaster und Autor vieler Artikel und Studien rund um SEO.

Markus hat vier Kinder, spielt in seiner Freizeit gerne Klavier (vor allem Jazz) und genießt das Leben.

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