SEO: Kann Klein Groß schlagen? [Search Camp 249]

25. Oktober 2022 | Von in Podcast "Search Camp", SEO

Eine alte Frage: Habe ich als kleines Unternehmen, als Startup, als Newcomer überhaupt eine SEO-Chance gegen die großen etablierten bekannten Online-Akteure? Meine Antwort: Ja, wenn man’s denn richtig angeht.

 

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SEO: Kann Klein Groß schlagen?

Es geht natürlich ums Thema SEO. Das ist, glaube ich, völlig klar. Ja, Klein gegen Groß. Das ist auch so eine nette Sendung in der ARD mit Kai Pflaume. Genau. Und da ist es so, dass Klein meistens gewinnt. Und ja, häufig haben die Kinder da natürlich einfach Fähigkeiten, die man als Erwachsener nicht mehr besitzt. Die können sich dann, weiß nicht, 3.000 Flughäfen auswendig lernen und ein Erwachsener kann das nicht und die Kinder gewinnen und alle sind glücklich und alles ist schön.

Ist das beim SEO auch so? Nein, definitiv nicht. Beim SEO ist es leider oft so, dass der Große gewinnt. Und ich erlebe das vor allem, wenn ich ja, Seminare gebe, zum Beispiel bei Shopware, wo eben auch, ich sage mal, nicht nur die großen Shops hinkommen, sondern natürlich auch viele kleinere. Und dann ist immer so die Frage, ja, habe ich denn überhaupt eine Chance als kleiner Shop gegen die ganz Großen der Branche? Und das ist eine ganz, ganz, ganz alte Frage. Und deswegen, und auch weil das Thema letzte Woche nochmal in einem bestimmten Kreis aufkam, habe ich gedacht, jetzt, ich mache mal eine Episode dazu.

Man muss sich kurz angucken natürlich, SEO hat ja immer zwei Komponenten, nämlich on-page und off-page. Also on-page, Texte, Struktur, Technik. Off-page heißt vor allem Backlinks. Backlinks als Maß dafür, wie beliebt eine Website ist. Und natürlich ist es so, dass ein großer, bekannter Shop viel mehr Backlinks hat als der kleine Herausforderer. Und jetzt könnte man hingehen und sagen, Okay, dann muss der Kleine sich einfach eben mehr strecken. Er muss sich richtig dolle anstrengen, um Backlinks zu kriegen. Und ich mag das. Also ich mag, darüber nachzudenken. Es ist leider nur oft so, muss man ganz ehrlich sagen, dass die Großen einfach Möglichkeiten haben, Backlinks zu bekommen, die ein kleiner Shop eben einfach nicht hat.

 

Beispiel: Fritz Berger und Backlinks

Ich habe mir zum Beispiel mal Fritz Berger angeguckt. Ist privat nicht so ganz mein Thema. Also da geht es ja so um Caravaning oder insgesamt Camping. Die haben zum Beispiel 70 Filialen europaweit, sagen sie selbst. 60 Jahre Erfahrung. Und das schlägt sich natürlich auch in Signalen nieder, die bei Google ankommen.

Grundsätzlich interessiert sich Google ziemlich wenig dafür, ob du 60 Jahre Erfahrung hast oder zwei Jahre am Markt bist. Das wissen sie nicht. Das interessiert sie eigentlich auch nicht, sondern es muss Signale geben, und Backlinks ist eben leider ein Thema davon. Das heißt zum Beispiel, Fritz Berger hat einfach das Geld, an vielen Messen teilzunehmen. Publikumsmessen, Fachmessen, andere Veranstaltungen, Hausmessen, was auch immer.

Sie haben auch einfach mehr Standorte, das heißt, sie haben auch viel mehr Möglichkeiten, an Backlinks auf lokaler Ebene zu kommen. Ob sie es jetzt immer angestrebt haben, ist noch ein anderes Thema. Aber zum Beispiel die stadt-ellingen.de verlinkt eben auf den Berger Freizeit Markt. Oder auch die Fachpresse hat – verlinkt fleißig auch Fritz Berger. Caravaning.de verlinkt drauf und Horizont.net, einen ganzen Stapel von guten Backlinks gefunden. Oder Fritz Berger hat wahrscheinlich auch einfach auch aufgrund der schieren Größe viel mehr Partnerschaften.

Zum Beispiel Hermes World, also die Website von Hermes, dem Versender, verlinkt eben auf Fritz Berger. Und da ist es eben so: Groß brüstet sich gerne mit Groß. Wenn ich jetzt als kleiner Laden da hingehe und sage, “Ja, ich versende aber auch mit Hermes.”, werden die sagen, “Ja, das ist ja ganz nett, aber keiner kennt euch, deswegen seid ihr als Referenz auf unserer Website gar nicht interessant.” Und deswegen nochmal: Fritz Berger kann an Backlinks kommen, an die ich als kleiner Laden einfach nicht kommen kann. Und das sind leider oft dann eben so auch richtig starke Backlinks.

Und dann gibt es natürlich noch einen ganzen Stapel, was habe ich nicht alles gesehen bei meinen Recherchen. Spiegel.de verlinkt drauf, wiwo.de, verschiedene Unis und alles das, weil sie einfach zum Beispiel Partnerschaften im Bereich HR haben. In Top Listen kommen die immer vor. Und ja, einfach – ich beende das Spiel jetzt hier an der Stelle und sage einfach, Fritz Berger hat sehr, sehr viele starke, gute Backlinks. Und du, wenn du jetzt ein Wettbewerber bist von Fritz Berger, hast faktisch keine Chance, da dranzukommen.

Man könnte jetzt natürlich auf die Idee kommen, dann kaufe ich mir eben einfach Links. Ist eigentlich nicht so eine gute Idee, wird auch nicht sonderlich gut funktionieren. Also ein Stück des Weges kommt man damit, aber du wirst nicht die gleichen Signale senden können, die ein Fritz Berger sendet. Und an dieser Stelle könnte man jetzt ja eigentlich aufhören und sagen, “Markus, alles, was ich bisher gehört habe, klingt nach Klein hat keine Chance gegen Groß.” Und genau das meine ich eben nicht. Man muss nur differenzierter draufgucken.

 

Gleich und gleich?

Also, angenommen, wir haben einmal Groß und wir haben einmal Klein, wir können den Fritz Berger nehmen oder Zalando oder wen auch immer. So. Und wenn es jetzt einen kleinen Shop gibt, und der kleine und der große Shop, die haben genau das gleiche Produktportfolio, haben genau die gleichen Kategorien, genau die gleichen Produktseiten, was auch immer, dann muss man sagen, wird der Große eigentlich immer gewinnen. Das stimmt nicht hundertprozentig. Aber sagen wir, 99,5% wird der Große am Kleinen vorbei rutschen. Wird einfach sagen, so, Platz eins für mich, für dich ist die zweite Seite, weil das muss man ja leider auch sagen, es gibt ja oft nicht nur einen Wettbewerber, sondern dann vielleicht fünf, sechs, sieben. Und ja, irgendwann bist du dann trotzdem entweder ganz unten auf der ersten Seite oder auf der zweiten, wo dann auch nicht mehr so viel stattfindet. Irgendwo rankst du natürlich. Klar, irgendein Ranking hast du, aber da klickt natürlich keiner mehr drauf. Oder wenn, dann der eine im Monat, das bringt dir nichts. Also nochmal, bei gleichen Voraussetzungen, du hast eine Seite zum Thema X, der Große hat eine Seite zum Thema X, wird der Große gewinnen. Völlig klar.

 

Wo ist jetzt die Chance?

Ja, Chancen gibt es natürlich immer. Also, eine Möglichkeit – und wenn ihr euch da tiefer reindenken wollte, würde ich euch auf Alles auf Start, Episode 52 verweisen – ist einfach, die Grundgesamtheit zu verändern. Ich habe ja eben gesagt, du hast das Gleiche, was der Große hat. Folgerichtig gewinnt der Große. Also. Aber interessanterweise ist dem gar nicht so!

Wir alle kennen Obi, Hagebau und Konsorten, die großen Baumärkte. Und du machst jetzt eine Website auf nur zum Thema Zimmertüren. Oder Fenster oder Rollläden, was auch immer. Dann hast du natürlich eine Teilmenge dessen, was der Große hat. Aber deine Grundgesamtheit ist halt nicht Baumarkt, sondern deine Grundgesamtheit ist Zimmertüren. Und Google honoriert das durchaus, indem sie sagen: Oh, da ist ja eine schöne, kompakte Website nur zum Thema X, und die rankt dann besser als der große Bauchladen, der alles hat. Das kann durchaus passieren.

Und deswegen ist das so die typische Strategie, wo man sagen muss, Klein hat eine Chance gegen Groß. Aber nur eben, wenn du nicht den gleichen Bauchladen hast, den die haben, sondern wenn du eben wirklich dir ein Produktportfolio heraussucht, das du in die Tiefe beackerst, wo du unglaublich viele Informationen anbietest. Und dann können die Obis und Hagebaus dann einfach mal Platz machen für dich, weil die erste Position steht dir zu. Und guck dir das ruhig mal an, also Thema Zimmertüren, Laminat, Fenster vielleicht auch, Tapeten, gibt es alles in einem Baumarkt. Aber wer rankt denn da auf den Top Positionen? Das sind nicht immer die großen Baumärkte. Das sind eben auch kleine, spezifische, kompakte Websites, die innerhalb dieser Thematik viel Inhalt bieten, on-page und gut verlinkt sind. Thematisch passend verlinkt sind.

 

Lücken finden!

Noch ein Thema, wo du eine Chance hast, ist natürlich einfach Lücken zu finden, also das zu machen, was die anderen nicht machen. Das ist natürlich bei manchen Wettbewerbern dann wirklich ein bisschen schwierig. Also gerade bei den Baumärkten muss man natürlich sagen, da sitzen einfach gute SEOs davor. Punkt. Und es ist jetzt sehr unwahrscheinlich, dass die ein Keyword übersehen haben oder ein ganzes Potenzial.

Aber ansonsten kann es durchaus passieren, dass du zum Beispiel viel Content hast für informationale Suchbegriffe. Also klassisch ein Blog, Magazin, Ratgeber. Und der Große, der hat das eben nicht. Dann kannst du für solche Sachen ranken und den Großen mal schön zur Seite schieben. Oder deine Kategorien sind besser auf Suchbegriffe abgestimmt. Deine Produktdetailseiten sind vielleicht besser auf Suchbegriffe abgestimmt. Gerade da ist übrigens oft Potenzial drin. Oder du hast Markenstrukturen aufgebaut, die die anderen nicht haben.

Und das ist – da braucht man leider viel Erfahrung für, da braucht man auch viel Analyse für. Und deswegen genau ist in solchen Themen Strategie eigentlich so wichtig. Und ja, vielleicht noch ein anderes Potenzial sind natürlich so Themen wie YouTube oder Bildersuche, wo man sagen muss, auch da gibt es oft noch Lücken, die die Großen einfach lassen. Nochmal, nicht bei Obi oder so, sondern in anderen Themengebieten, wo man sagen kann, Okay, es gibt immer noch was zu tun, es gibt immer noch Lücken.

 

Du bist ein Underdog? Dann nutz das aus!

Was würde ich dir noch empfehlen? Ich würde dir auch empfehlen, dass du deinen Status als Underdog nutzt, weil die großen sind groß. Das sind so Riesendickschiffe, total etabliert. Und du bist der Underdog. Und das ist eigentlich immer eine schöne Position, weil man eben wirklich oft, ich sage mal, auch als Underdog König der Herzen ist.

Aber es gibt natürlich auch Möglichkeiten der Verlinkung für Underdogs, die die großen Etablierten gar nicht mehr haben. Gerade als Startup kannst du dich zum Beispiel von der ganzen Startup-Plattformen verlinken lassen, zum Beispiel deutsche-startups.de. Das kann dir erst mal ein bisschen Reichweite bringen, ja. Aber es bringt dir eben vor allem auch einen starken Backlink. Und von diesen Startup-Plattformen gibt es eine ganze Menge. Und das gezielt auszunutzen, also wirklich, ich bin klein, aber klein hat an diesem Punkt auch mal einen Vorteil. Extrem wichtig.

 

Online-PR und Reichweite

Ich würde dir auch empfehlen, einfach in Sachen Online-PR Vollgas zu geben. Du brauchst einfach vor allem starke Backlinks, starke Markensignale, und das kannst du eben schaffen, indem du zum Beispiel starke Analysen, starke Studien, was auch immer veröffentlichst. Etwas, was vor allem für die Presse interessant ist, weil gerade Presse, vor allem Fachmagazine haben halt oft, ja einfach sehr viel Link Power und deswegen kannst du da dann über diesen Weg natürlich starke Backlinks einsammeln.

Für viele ist das ein schwieriges Thema, weil sie es einfach nicht gewohnt sind, solche Sachen zu spielen. Und natürlich, gerade als Underdog, musst du auch die Presse erst mal auf deine Seite holen, gar keine Frage. Das heißt, du musst schon wirklich PR-orientiert sein, Du musst vielleicht auch ein bisschen krawallig sein, ein bisschen anders – komm ich gleich nochmal dazu – um dann eben auch wirklich Signale zu erzeugen, die die Großen vielleicht gar nicht mehr hinkriegen, weil sie schon viel zu satt sind.

Und ich würde dir natürlich auch empfehlen, Vollgas in Sachen Reichweite zu geben. Also Social Ads, Google Ads natürlich. Und das klingt immer so, “Da muss ich erstmal wahnsinnig viel reinbuttern.” Muss ich ja nicht unbedingt! Also gerade, wenn ich einen Onlineshop bin, dann kann ich solche Kampagnen in der Regel profitabel aussteuern. Und dann ist es natürlich schon so, dass eigentlich nicht wirklich interessant ist, wie viel Budget ich da reinstecke. Denn wenn es profitabel ist, dann nochmal, dann ist es egal. Dann habe ich vielleicht einen Zeitverzug und ich brauche natürlich ein bisschen Cash in der Bank, um das alles erstmal finanzierbar zu machen. Aber am Ende des Tages, wenn ich so eine Kampagne profitabel hinbekomme, dann kann ich den Hebel auch nur ganz weit aufdrehen. Das machen die Großen natürlich auch. Aber trotzdem, ich muss erstmal sichtbar werden.

 

Differenzierung

Und natürlich der letzte Punkt, der letzte Tipp vielleicht, wo hat Klein Chancen gegen Groß? Ich habe da unlängst auch schon mal eine Podcast Episode zugemacht. Und ich finde, ein wichtiges Thema ist hier wirklich Differenzierung. Wenn du genauso bist wie die anderen, also ein Baumarkt ist für mich irgendwo – da steht eine Halle, da ist Krams drin und da laufen so Typen rum und verkaufen irgendwas. Typen natürlich, männlich und weiblich, das – klar. So.

Du kannst aber ganz anders agieren. Du kannst dich ganz anders positionieren. Du kannst zum Beispiel der erste nachhaltige Baumarkt sein oder der erste nachhaltige Spezialist für Laminat, Parkettfußböden, Teppiche, Tapeten, was auch immer. Du kannst der Qualitätsführer sein. Du kannst auch sagen, jedes Produkt, was wir verkaufen, das haben wir selbst getestet. Die erste Produktbewertung kommt immer von uns. Wir verkaufen nichts, wenn wir uns nicht hundertprozentig sicher sind, dass das total geiler Scheiß ist. Ist natürlich ein hoher Anspruch, ist auch ein hoher Aufwand.

Aber nochmal: anders sein ist halt wichtig, weil ansonsten, wenn du der Kleine bist, der genau das gleiche Zeugs hat wie die Großen, dann wirst du zur Seite gedrängt und hast keine Chance, irgendwie nach vorne zu kommen. Deswegen glaube ich: Klein kann Groß schlagen, aber eben nur, wenn SEO-seitig auch alles richtig gemacht wird. Und wenn du eben auch alle anderen Potenziale wie SEA und Social und so gut ausnutzt, dann hast du eine absolute Chance, überhaupt keine Frage. Aber das merke ich in der Praxis eben oft, dass das natürlich gerade für kleine Unternehmen schwierig ist, weil es vielleicht manchmal dann auch eine Personaldecke braucht, die man jetzt eigentlich gerade so gar nicht zur Verfügung hat und auch nicht bezahlen kann.

Ich habe wirklich viele gute Unternehmen schon gesehen, wo du einfach radikal denkende Leute hattest, die einfach den Willen hatten, nach vorne zu kommen und die auch wirklich anders waren als die Großen. Und die haben es wirklich hervorragend geschafft.

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Markus Hövener

Markus Hövener ist Gründer und SEO Advocate der auf SEO und SEA spezialisierten Online-Marketing-Agentur Bloofusion. Als geschäftsführender Gesellschafter von Bloofusion Germany ist er verantwortlich für alle Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Markus Hövener ist Buchautor, Podcaster und Autor vieler Artikel und Studien rund um SEO.

Markus hat vier Kinder, spielt in seiner Freizeit gerne Klavier (vor allem Jazz) und genießt das Leben.

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